Heidemarie Wieczorek-Zeul sitzt im größten Schmutzfink. Ausgerechnet die SPD-Entwicklungshilfeministerin, auch "rote Heide" genannt von ihren Genossen, die doch in der Dritten Welt um pfleglichen Umgang mit der Natur werben sollte. In einem Audi A8 4.2 FSI quattro. Der Benziner schluckt in der Stadt 15,7 Liter, bringt mit 350 PS 250 Stundenkilometer auf die Straße. Vor allem aber: Er pustet pro Kilometer 259 Gramm schmutziges CO₂ in die Luft.
Zum dritten Mal hat jetzt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kontrolliert, wie ernst Bundesminister und Umweltminister der Länder ihre umweltpolitische Vorbildfunktion jenseits ihrer schönen Sonntagsreden beim Dienstwagen nehmen. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch ist enttäuscht. "Das Show-Fahren der Minister für Klimakiller-Limousinen hält an", klagte er bei der Vorlage des jüngsten Testberichts. Kein einziger Minister der Großen Koalition kommt auch nur in die Nähe des Zielwerts von 140 Gramm CO₂, den die EU 2008 festgelegt hat. Resch: "Die sind alle weit entfernt von einer Vorbildrolle in Zeiten des Klimawandels." Ihre Abgase liegen durchweg weit mehr als 50 Prozent über dem EU-Zielwert. Nicht erkennbar sei auch, dass die Spitzenpolitiker den zukünftigen EU-Wert von 120 Gramm einzuhalten gedächten.
"Zu wenig Einsicht in die eigene Vorbildfunktion"
Bei den Bundesministern fällt noch eine zweite Sozialdemokratin als exzellente Umweltverschmutzerin auf: Brigitte Zypries. Sie lässt sich in einem VW Phaeton V6 TDI kutschieren. Macht: Pro Kilometer 240 Gramm CO₂, Stadtverbrauch 12,1 Liter Diesel. Braucht die Justizpolitik, in der ja nichts Besonderes läuft, tatsächlich 240 PS? Wenigstens Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat sich ein wenig auf den gepredigten Weg seiner globalen Umweltpolitik begeben. Sein Mercedes-Benz S400 Blue Hybrid stößt 188 Gramm CO₂ aus. Er ist der Einzige im Kabinett der selbst ernannten Umweltschutz-Kanzlerin Angela Merkel, der unter der Marke 200 beim CO₂-Schadstoffausstoß bleibt. Mit seinen 299 PS ist Gabriel allerdings komplett übermotorisiert. Will er um jeden politischen Preis der Schnellstarter bleiben, den er bisher schon immer abgab?
Einige Spitzenpolitiker verschanzen ihre Schmutzzahl hinter Sicherheitsbedenken und verweigern die Auskunft: die Kanzlerin, der Außen-, Innen-, Finanz-, Gesundheits- und Verteidigungsminister. Bei SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt dürfte das "erhöhte Risiko," mit dem Auskünfte verweigert werden, eng mit ihrer Gesundheitspolitik und ihrer persönlichen Unpopularität zusammenhängen, legt die DUH als Erklärungshilfe nahe. Dabei ergibt die Geheimniskrämerei keinen Sinn. Der CO₂-Wert verrät nichts über die Panzerung eines Fahrzeugs.
Reschs hartes Urteil: "Zu wenig Einsicht in die eigene Vorbildfunktion." Unverständlich sei, dass die Spitzenpolitiker nach der langen Diskussion über klimafreundliche Pkw und alternative Antriebe nicht ihre Prominenz und Vorbildrolle nutzten um für solche Fahrzeuge öffentlich zu werben. "Stattdessen geht das Schaufahren gegen den Klimaschutz munter weiter." Dies, obwohl inzwischen sehr viel klimafreundlichere Autos auch deutscher Hersteller auf dem Markt seien.
Es gibt nicht nur Schmutzfinken
Dass es auch anders geht, zeigt die DUH-Recherche bei den Umweltministern der Länder. Vorbildlich die Berliner Umweltministerin Katrin Lomscher (Die Linke) und ihre Hamburger Kollegin Anja Hayduk (Grüne). Beide fahren in einem Toyota Prius (Hybrid) zu ihren Geschäften: mit 104 Gramm CO₂-Ausstoß, fünf Liter Sprit in der Stadt, 78 PS und Höchstgeschwindigkeit 170 km/h. Hayduks Amtsvorgänger Axel Gedaschko (CDU) hatte noch eine Spitzengeschwindigkeit von 237 km/h benötigt. Im Stadtstaat Hamburg!
Ganz weit vorn in der Liste der Schmutzfinken rangieren allerdings die Umweltminister von Bayern (Markus Söder), Schleswig-Holstein (Christian von Boettcher) und Thüringen (Volker Sklenar). Ihr Schadstofffaktor reicht von 239 Gramm bis 249 Gramm CO₂. Würde etwa Söder einen BMW 560L benutzen wie sein saarländischer Kollege Stefan Mörsdorf, er müsste nur 154 Gramm Schadstoff in die bayerische Bergluft blasen.
Die schlimmsten Umweltsünder, so vermutet die DUH, sitzen allerdings auf den Stühlen der Länder-Ministerpräsidenten, die geschlossen bisher jede Auskunft verweigern. Resch: "Da vermute ich reihenweise Fahrzeuge, deren Motorisierung an die schwersten Lkw heranreicht, die auf deutschen Straßen zugelassen sind - und an deren Klimabelastung." Gegen NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers führen die Umweltschützer inzwischen einen Musterprozess vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht, um ihn über das Umweltinformationsgesetz zur Herausgabe seiner Auto-Abgaswerte zu zwingen. Er lässt seine Beamten erklären, der Ministerpräsident sei eben "ein hohes Schutzgut des Landes Nordrhein-Westfalen." Was zu der Frage zwingt: Sehen das die Wähler in NRW bei der nächsten Wahl genau so?