Abgasbetrug Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht Dokumente zu Dieselgate und spricht von "Betrugskartell"

Abgase strömen aus einem Auspuff heraus. Beim Dieselgate wurden Dieselfahrzeuge manipuliert.
Veröffentlichte Dokumente zum Dieselgate beschuldigen die großen Autohersteller aber auch Autozulieferer wie Bosch (Symbolbild)
© Wolfgang Maria Weber / Imago Images
Die Deutsche Umwelthilfe hat interne Dokumente zum Dieselgate, der illegalen Manipulation von Dieselfahrzeugen, veröffentlicht. Sie sollen belegen, dass die großen deutschen Autohersteller eine aktive Rolle beim Abgasbetrug eingenommen haben.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) spricht von "einem Betrugskartell im Automobilbereich". Interne Dokumente, die dem Umwelt- und Verbraucherverband im Sommer 2022 eigenen Angaben zufolge aus dem Umfeld der Automobilindustrie zugespielt wurden, sollen ein bewusstes Vorgehen von Audi, VW, Daimler und BMW belegen. Konkret sollen die Autohersteller bereits im Jahr 2006 Abschalteinrichtungen für Dieselfahrzeuge beim Zulieferer Bosch in Auftrag gegeben haben. Betroffen seien laut DUH tatsächlich "faktisch alle Hersteller weltweit", heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Pressemitteilung. Namentlich genannt sind in den nun veröffentlichten Unterlagen etwa auch Toyota, PSA (Peugeot, Citroën, heute Stellantis), Hyundai, Honda, Ford und Fiat.

"Nicht einzelne VW-Ingenieure, sondern die Profitgier der vier größten Automobilunternehmen Deutschlands führte zur Entwicklung von insgesamt 44 unterschiedlichen Varianten der Betrugssoftware", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Die Autobauer sollen demnach gegenüber Bosch den Wunsch nach einer Funktion zu einer geringeren Harnstoffeinspritzung bei den Dieselfahrzeugen geäußert haben.

Die Bosch-Ingenieure führten im Oktober 2015 schließlich über 40 verschiedene Funktionen der Abgasreinigung auf, was einen höhen Ausstoß von schädlichem Stickoxid zur Folge hat. Es sei bekannt gewesen, dass die Produktparameter "Auswirkungen auf....die Einhaltung behördlicher Vorschriften haben können", ist in einem Dokument geschrieben. Bosch wies darin etwa auch darauf hin: "Eine behördenkonforme Applikation ist sicherzustellen."

In den Unterlagen aus den Jahren 2006 bis 2015 geht es auch um die temperaturabhängige Umschaltung vom Prüfmodus in den realen Straßenmodus. Die rechtliche Grauzone rund um die sogenannten Thermofenster, bei der die Abgasreinigung in bestimmten Temperaturbereichen reduziert oder gar abgeschaltet wird, ist umstritten. Offiziell erfolgt sie zum Schutz der Motorbauteile. DUH-Experte Axel Friedrich über die Dieselabgasmanipulationen: "Wir haben hier über ein Jahrzehnt Dinge gemacht – mit Hilfe von Bosch, Continental und Delphi Technologies – die einfach illegal waren."

DUH fordert Stilllegung oder Nachrüstung der betroffenen Fahrzeuge

Die DUH klagt wegen insgesamt 119 Diesel-Fahrzeugmodellen vor dem Verwaltungsgericht Schleswig. Sie meint, dass in Deutschland mehr als fünf Millionen Diesel-Fahrzeuge stillgelegt oder nachgerüstet werden müssten. 

Die Autobauer hätten "einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag an Zusatzeinnahmen" erzielt, sagte Resch am Donnerstag auf einer Pressekonferenz des Umwelt- und Verbraucherverbands. "Dieses Kartell hat pro Auto hunderte von Euro eingespart und mutwillig und vorsätzlich in Kauf genommen, dass Menschen getötet und, dass Menschen krank werden." Er forderte von der Bundesregierung, dass geschädigte Autofahrerinnen und Autofahrer entschädigt werden. 

Jetzt müssten "die betrogenen Käufer von Dieselfahrzeugen, die glaubten, ein klimaverträgliches und sauberes Fahrzeug erworben zu haben, nicht ein zweites Mal betrogen werden" – wie auch in den USA, wo Millionen Fahrzeuge nachgerüstet oder verschrottet wurden.

Staatsanwalt zum Dieselgate: Dokumente bereits 2019 berücksichtigt

Friedrich sagte: "Es ist ein Skandal, dass diese Daten so lange zurückgehalten wurden." Die DUH hat die Dokumente nach eigenen Angaben an die Staatsanwaltschaft Stuttgart weitergegeben.

Aniello Ambrosio von der Staatsanwaltschaft Stuttgart teilte auf Nachfrage des stern jedoch mit, dass die Dokumente bereits bekannt und "wie alle weiteren Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsverfahren in dem gegen die Robert Bosch GmbH erlassenen Bußgeldbescheid vom 23. Mai 2019 berücksichtigt" worden seien. Bosch war damals zu einem Bußgeld in Höhe von 90 Millionen Euro verurteilt worden. Ein (Vor-)Ermittlungsverfahren aufgrund der Dokumente wurde laut Staatsanwalt Ambrosio nicht eingeleitet.

Quellen: DUH, mit Material der dpa

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