Dass Passivrauchen die Gesundheit gefährdet, ist wissenschaftlich erwiesen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will deshalb verbieten, dass in Fahrzeugen geraucht wird, wenn Minderjährige oder Schwangere an Bord sind. "Kinder und Schwangere brauchen einen besseren Schutz in der Gesellschaft", durch Passivrauchen könnten bei ihnen "bleibende Schäden" entstehen, zitierte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Freitag den SPD-Politiker.
Lauterbach greift mit seinem Vorhaben, das im Nichtraucherschutzgesetz verankert werden soll, eine Länder-Initiative auf. Mehrere Bundesländer fordern schon seit Jahren, das Rauchverbot, das zum Beispiel bereits im öffentlichen Nahverkehr gilt, auf alle geschlossenen Fahrzeuge auszuweiten, sofern Minderjährige oder Schwangere anwesend sind.
So kommentiert die Presse Lauterbachs Rauchverbotspläne:
"Berliner Morgenpost": Gesundheitsminister Karl Lauterbach will das Rauchen in Privatwagen verbieten, wenn Minderjährige oder Schwangere mitfahren. Unlängst schlug Innenministerin Nancy Faeser ein Messerverbot in Bussen und Bahnen vor. Nur: Lauterbach und Faeser sagen nicht, wie sie das kontrollieren wollen. Verbote, die sich nicht durchsetzen lassen, sind meist wirkungslos. Sie sind Symbolpolitik. Wenn die Menschen das merken, belächeln sie die Politiker eher, als dass sie ihnen Kompetenzen beim Lösen von Problemen zutrauen. Ein Verbot kann Werte in einer Gesellschaft postulieren (du sollst nicht rauchen, wenn dein Kind neben dir sitzt!). Das aber sollten alle vernünftigen Eltern längst wissen. Auch ohne Strafandrohung.
"Badische Zeitung" (Freiburg): "(...) Karl Lauterbach (...) will (..) ein Rauchverbot im Auto, um Minderjährige und Ungeborene zu schützen. Dagegen spricht grundsätzlich nichts – schon gar nicht der Hinweis, dass das Auto ein privater Raum sei. (...) Aber wo steht, dass man im privaten Umfeld – sei es das Auto oder die Wohnung – Dritten schaden darf? Und Passivrauchen ist nun mal eindeutig und erwiesen ein Risiko für die Gesundheit. (...) Es ist aber heikel, wenn der Staat neue Regeln erlässt – zugleich aber die Polizei nicht genug Leute hat, um sie durchzusetzen. (...) Aus diesem Dilemma gäbe es für Lauterbach einen Ausweg: Er müsste das Rauchen im Auto verbieten, also immer und ganz egal, wer mitfährt. (...)"
"Westfälische Nachrichten" (Münster): "Wer in Anwesenheit von Nichtrauchern raucht, verhält sich nicht nur höchst rücksichtslos, er schädigt die Gesundheit anderer – insbesondere Schwangerer und Kinder. (...) Aber: Muss der Gesetzgeber wirklich alles verbieten, was sich nicht gehört? Darf der Staat überhaupt so tief in die private Lebensgestaltung eingreifen? Immerhin ist das Auto für nicht wenige Deutsche so etwas wie das zweite Wohnzimmer – ein quasi privater Raum. Und was wäre wohl los, wenn der Staat das Rauchen in den eigenen vier Wänden verböte?"
"Schwäbische Zeitung" (Ravensburg): Man mag es nicht glauben: Aber es gibt noch Menschen, die frönen ihrer Nikotinsucht, während Kinder oder Schwangere mit im Auto sitzen. Und wir reden hier nicht von früheren Zeiten, in denen vom Büro bis zur Kneipe kein Ort unberührt blieb von dem blauen Dunst. Wir reden über das Jahr 2023 und dem längst bekannten Wissen um die schwerwiegenden Folgen des Qualms, auch für Passivraucher und da zuvorderst für Heranwachsende und Ungeborene. Nun mag es jedem freigestellt sein, ob er raucht oder nicht, das gehört zu unserer liberalen Gesellschaft und so soll es bleiben. Zu dieser Freiheit gehört aber auch, Unbeteiligte vor negativen Folgen zu schützen. Der beste Weg dahin sind in der Regel gute Argumente und Überzeugungskraft, gerade in einer Welt voller Vorschriften und Gesetze. Wird im Beisein von Kindern oder einer Schwangeren im Auto die Kippe angezündet, ist allerdings eine Grenze überschritten. Bei so viel Idiotismus hilft nur die harte Hand der Strafe.
Schon 20 Minuten nach der letzten Kippe gibt es positive Veränderungen

"Südkurier" (Kostanz): Dass Fahrzeuge, in denen Kinder mitfahren, rauchfrei sind, ist eine berechtigte medizinische Forderung. Denn viele Erwachsene ignorieren ihre Verantwortung. Das Problem: Ein Verbot wäre genauso schlecht zu kontrollieren wie der bereits mit einem Bußgeld sanktionierte Gebrauch des Handys am Steuer. Natürlich kann man es dennoch einführen, denn jedes Erziehungsmittel ist hilfreich. Aber wirklich weiterkommen wird man nur mit einer intensiven Aufklärungskampagne. Diese würde den Rauchern auch erklären, warum die Gesundheit passivrauchender Kinder und Ungeborener leidet. Ein Verbot allein kann das nicht.
"Die Glocke" (Oelde): Wer mit klarem Menschenverstand durchs Leben geht – im konkreten Fall: fährt –, lässt den Glimmstängel in der Schachtel. Wer seine Vorbildfunktion ernst nimmt, braucht kein Verbot. Den Genuss von Tabak am Steuer zu bestrafen, führt zu nichts. Eher sogar zu Verdruss. Nicht noch ein Verbot, denken jene, die sich nur zu gern an staatlicher Regulierungswut reiben. Dabei lässt schon der Begriff Referentenentwurf manche schaudern. Erneut nichts abgestimmt, wieder nichts ausbuchstabiert. Minderjährige und Ungeborene vor dem Passivrauchen schützen: löblich. Gut gemeint ist aber oft das Gegenteil von gut gemacht. Wie, bitte, soll das Verbot kontrolliert werden? Müssen Polizisten nicht mehr nur bei Temposündern und Handytelefonierern Bußgelder kassieren, sondern auch bei Tabakkonsumenten in Begleitung von werdenden Müttern und Heranwachsenden? Wie überhaupt lässt sich eine Schwangerschaft in den ersten Monaten erkennen? Nein, ein Verbot ist in der Praxis nicht umsetzbar. Was hilft, ist Verantwortungsbewusstsein. Und Verstand.

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"Jemanden in seiner eigenen Wohnung umzubringen, ist auch nicht erlaubt"
"Mitteldeutsche Zeitung" (Halle): Eines der Hauptargumente gegen ein Rauchverbot im Auto war und ist, es handele sich um einen privaten Raum, in den der Staat nicht einfach eingreifen kann. Das stimmt zwar. Aber durch den Raucher werden Dritte geschädigt, und dann sieht die Lage ganz anders aus. Jemanden in seiner eigenen Wohnung umzubringen, ist auch nicht erlaubt – privater Raum hin oder her. Das weitere Argument, ein Verbot gehe ins Leere, weil es sich gar nicht kontrollieren lasse, ist leicht zu widerlegen. Die Polizei ist durch ihre Erfahrungen mit telefonierenden Autofahrern geübt in der Beobachtung des Innenraumes. Vieles spräche sogar dafür, das Rauchen im Auto generell zu verbieten, weil es den Fahrer ablenkt. Lauterbach sollte also ruhig noch etwas weiter gehen.

"Darmstädter Echo": Letztlich geht es um die Abwägung, was schwerer wiegt: die persönliche Freiheit des Rauchers im Auto oder die körperliche Unversehrtheit der zwangsbedampften Mitfahrer. Viele europäische Länder haben das längst entschieden – dort gelten Rauchverbote, sobald ein Kind oder ein Jugendlicher mit an Bord ist. Außerdem ist die Verbotsidee auch keine aus dem Hause Lauterbach. Vielmehr hat der Gesundheitsminister eine Forderung der Bundesländer aufgegriffen. Nun lässt sich einwenden: Braucht es wirklich ein Verbot, um Kinder und Schwangere zu schützen? Rücksichtnahme sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein. Ist sie aber leider nicht. Das Ganze eignet sich jedenfalls trefflich zum Streit. Dabei gibt es derzeit eigentlich wichtigere Themen.
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": Das Passivrauchen ist eine echte Gefahr. Herzkrankheiten, Lungen-, Kehlkopf- und Rachenkrebs, ja sogar Brustkrebs bei Frauen können die Folge sein, wenn man schon in frühen Jahren ungewollt mitqualmt. (…) Nur zu verständlich also, dass ein Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums vorsieht, das Rauchen in Autos zu verbieten, wenn Minderjährige oder Schwangere mitfahren. Mit einem Referentenentwurf für die Cannabis-Legalisierung soll das Nichtraucherschutzgesetz entsprechend geändert werden. (…) Alles richtig. Aber wenn man einen Schritt zurücktut, sieht die Lage schon anders aus. Viele Menschen haben das Gefühl, dass der Staat sich immer stärker in ihr Privatleben einmischt. (…) Zudem bleibt die Frage der Durchsetzbarkeit im Auto, und je weniger man ein Gesetz durchsetzen kann, desto lächerlicher wirkt es. (…)
"Lausitzer Rundschau" (Cottbus): Angesichts des Timings darf man unterstellen, dass es hier auch darum gehen könnte, bei den Ländern gut Wetter zu machen. Am Montag nämlich gibt es die letzte Verhandlungsrunde zur Klinikreform. Bisher stellen sich die Länder in mehreren Punkten quer. Lauterbach aber will den Erfolg. Und geht nun auf dem Verbotsfeld auf die Länder zu. Denn die hatten mehrmals das Rauchverbot im Auto gefordert, zuletzt vor gut einem Jahr. Damals hatte das Ministerium noch erklärt, verfassungsrechtliche Bedenken zu haben – gilt das Auto doch als privater Raum, ein Verbot könnte also ein Eingriff in die Privatsphäre sein, so, als wenn der Staat ein Rauchverbot in der eigenen Wohnung erlassen würde. Diese Bedenken hat Lauterbach nun plötzlich nicht mehr. Das verstärkt den Verdacht, dass es hier eher um Schlagzeilen, als um die Gesundheit von Kindern geht.