Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kann für weitere fünf Jahre an der Spitze des Staates stehen. Die Bundesversammlung bestätigte den 66-Jährigen am Sonntag mit großer Mehrheit für eine zweite Amtszeit. Steinmeier erhielt 1045 von 1425 gültigen Stimmen, dies entspricht 73,3 Prozent.
Mit einem deutlichen Appell an Russland sowie einem starken Plädoyer für Demokratie und Mut zu Veränderung geht Frank-Walter Steinmeier in eine zweite Amtszeit als Bundespräsident. "Seien wir nicht ängstlich! Packen wir die Zukunft bei den Hörnern", forderte er am Sonntag vor der Bundesversammlung nach seiner Wiederwahl. Auf die Zukunft habe nichts bessere Antworten als die Demokratie. Zugleich machte Steinmeier klar: "Wer für die Demokratie streitet, der hat mich an seiner Seite. Wer sie angreift, wird mich als Gegner haben!"
Frank-Walter Steinmeiers "Wiederwahl ist ein Signal für Kontinuität"
So kommentiert die deutsche Presse die Wiederwahl Steinmeiers:
"Frankfurter Rundschau": "Der Wahlakt stand für das, was auch die Person des alten und neuen Bundespräsidenten ausmacht: Das Überraschende, aus Routinen Ausbrechende, neue Wege Vermessende fand in der Bundesversammlung wenig Raum – die Sache des Wiedergewählten ist es auch nicht. Frank-Walter Steinmeier ist ein unermüdlicher Prediger des gesellschaftlichen Dialogs als Lebenselixier der Demokratie. Doch wer die demokratische Gesellschaft verteidigen will, muss sie entschieden verändern. Genau dafür steht er nicht. Die großkoalitionäre Fortschreibung eines im Kern neoliberalen Projekts steht bis heute im Zentrum des Steinmeier’schen Denkens. Aber bräuchte dieses Land nicht einen Antreiber, der Überzeugungsarbeit leistet für eine entschiedene sozial-ökologische Transformation? Vor 25 Jahren hielt Bundespräsident Roman Herzog seine 'Ruck-Rede', sie wurde zum Manifest neoliberalen Umbaus. Es wäre Zeit, dass Deutschland etwas Entgegengesetztes erlebt. Aber mit diesem Bundespräsidenten wird das, bei aller Liebe, nichts."
"Leipziger Volkszeitung": "Der neue und alte Bundespräsident sorgte inmitten der weltpolitischen Krise um die Ukraine für einen Moment des Aufatmens. Mit der klaren Botschaft an Russland, das jedes Land dieser Erde das Recht auf Selbstbestimmung und Souveränität hat und dass Deutschland fest an der Seite der osteuropäischen Partner stehe, hat Frank-Walter Steinmeier die Position des Westens glasklar benannt, ohne in den inzwischen aggressiven gegenseitigen Tonfall einzustimmen. Steinmeier ist als Präsident eine sichere Bank."
"Weser-Kurier" (Bremen): "Der ehemalige sozialdemokratische Kanzleramtsminister, Außenminister und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier ist ein Netzwerker, ein gewiefter Diplomat, ein Menschenkenner. Seine Reden klingen wie glatt geschliffene Kieselsteine, haben selten Kanten, er sagt oft Erwartbares. Steinmeier wirkt im Kleinen, geht zu den Menschen, spricht mit ihnen, überzeugt eher durch Gesten. Ihn zeichnet aus, dass er sich von parteipolitischen Abhängigkeiten emanzipiert hat. Bester Beweis: sich selbst ins Spiel zu bringen, als die Frage seiner Nachfolge anstand. Nach der überzeugenden Wiederwahl hat Steinmeier noch weniger Grund, es irgendjemandem recht machen zu müssen. Wie er den Spielraum zu nutzen gedenkt, hat er am Sonntag eindrucksvoll dokumentiert. Seine Dankesrede war gespickt mit kämpferischen Passagen: rote Linien für Demokratiefeinde innen wie außen, für Hasser und Gewalttäter sowie klare Verantwortlichkeiten für die Ukraine-Krise bei Wladimir Putin. Das macht Hoffnung auf mehr Mut für deutliche Worte."
"Neue Osnabrücker Zeitung": "Seine Wiederwahl ist ein Signal für Kontinuität, das gerade jetzt kein schlechtes ist. Steinmeier ist es gelungen, ein überparteilicher Bundespräsident zu werden, der jetzt von einer übergroßen Mehrheit in eine zweite Amtszeit gewählt wurde. Aber auch er muss jetzt eine neue Rolle finden neben Bundeskanzler Olaf Scholz, der ein kompliziertes neues Bündnis aus drei Parteien anführt und der bisher nicht Mann der großen Worte ist. Das bietet dem Bundespräsidenten eine größere Bühne, die er offenbar auch nutzen will. Seine erste Rede nach der Wiederwahl an die Adresse des russischen Präsidenten Wladimir Putin war klarer als vieles, was bisher von der Bundesregierung in dem Konflikt in der Ukraine zu hören war."
"Südkurier" (Konstanz): "Selten wurde ein Bundespräsident so einmütig wiedergewählt wie Frank-Walter Steinmeier. Bereits der erste Wahlgang brachte klare Verhältnisse, die anderen Kandidaten spielten keine Rolle. Das Signal an die Bevölkerung ist eindeutig. Die Bundespolitik setzt nach dem Regierungswechsel auf Aufbruch und Erneuerung. An der Spitze des Staates aber bleibt alles beim Alten. Kontinuität statt Veränderung. Steinmeier bedient dieses Bedürfnis nach Berechenbarkeit wie kaum ein zweiter. Die Verfassung räumt dem Bundespräsidenten wenige konkrete Vollmachten ein. Wenn er etwas bewirken kann, dann nur über die Kraft seiner Worte. Wo andere durchregieren können, muss er überzeugen. Wo andere Gegensätze betonen, muss er zusammenführen. Seine Wiederwahl war für Steinmeier ein geradezu geräuschloses Unterfangen. Seine nächste Amtszeit wird es nicht."

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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"Volksstimme" (Magdeburg): "Dass Frank-Walter Steinmeier eine zweite Amtszeit erhält, war gestern keine Überraschung. Seit die in der Selbstfindungsphase steckende CDU/CSU-Opposition auf einen eigenen Bewerber verzichtet hat, war entschieden: Der alte ist der neue Bundespräsident. Überraschend war vielmehr der Klartext, mit dem Steinmeier seine Wiederwahl angenommen hat: Ohne diplomatische Umschweife verurteilte er den russischen Präsidenten Putin als Aggressor in der Ukraine-Krise – und sagte sich endgültig los von seinem Ex-Chef Gerhard Schröder, dem er einst als Kanzleramtsminister gedient hat und der aktuell ukrainisches 'Säbelrasseln' hört. Zweiter Adressat eines präsidialen Rüffels: der lavierende Kanzler Olaf Scholz. Steinmeiers Ansage: Russland sei notfalls 'Klarheit, Abschreckung und Entschlossenheit' entgegenzusetzen. Und innenpolitisch will der Präsident die Auseinandersetzung mit radikalen Gegnern der Corona-Politik suchen. Bleibt Steinmeier seinem Klartext-Kurs treu, dürfte seine zweite Amtszeit die stärkere werden."

"Reutlinger General-Anzeiger": "Nicht wenigen gilt Steinmeier bisher eher als Langweiler. Eine wirklich große Rede ist ihm noch nicht gelungen, so eine wie die 'Ruck'-Rede seines Vorgängers Roman Herzog und die Rede Richard von Weizsäckers zur Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus. Auch im Auftreten wirkt Steinmeier häufig beamtenhaft steif und grau. Doch genau das ist es wohl, was Deutschland in dieser Zeit der Krisen, Konflikte und Umbrüche braucht: ein Staatsoberhaupt, das Seriosität, Ruhe und Bedachtsamkeit ausstrahlt, das bürgerliche Tugenden verkörpert und das als glaubwürdiger Brückenbauer bei politischen und gesellschaftlichen Zerwürfnissen dienen und gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern kann."
"Hannoversche Allgemeine Zeitung": "In der Kür kann und sollte Steinmeier nachlegen: Der beste Anker für die Demokratie wird er sein, wenn die Menschen an seinen Sätzen hängen bleiben, überrascht sind, nachdenken und über das Gesagte diskutieren. Steinmeier könnte noch stärker die repräsentative Stimme des Volkes werden. So wie er die Parteien 2017 einbestellte, um ihnen in Sachen Regierungsbildung die Leviten zu lesen, wäre dies etwa auch beim Thema Wahlrecht überfällig. Sonst wird die nächste Bundesversammlung ins Berliner Olympiastadion umziehen müssen. Ein geändertes Wahlrecht, das zu einem schlankeren Bundestag führt, wäre ein bedeutenderer Beitrag gegen Parteienverdrossenheit als zwölf Reden zur Sinnhaftigkeit der repräsentativen Demokratie."
"Kölner Stadt-Anzeiger": "Steinmeier ist als Präsident eine sichere Bank. In der Kür kann und sollte er nachlegen: Der beste Anker für die Demokratie wird er in den kommenden fünf Jahren sein, wenn die Menschen an seinen Sätzen hängenbleiben, überrascht sind, nachdenken und über das Gesagte diskutieren. Stärker als bisher könnte Steinmeier auch noch die repräsentative Stimme des Volkes werden. So wie er die Parteien 2017 einbestellte, um ihnen in Sachen Regierungsbildung die Leviten zu lesen, wäre dies auch beim Thema Wahlrecht überfällig."
"Nürnberger Nachrichten": "Es gibt genügend weitere Themen, die dringend angesprochen werden müssen: die mangelnde Innovationsfähigkeit Deutschlands, die Fixierung auf Randthemen wie das Gendern statt auf die Sicherung der Pflege, die Chancenlosigkeit Deutschlands als Einzelkämpfer im Wettstreit mit Russland und China... Ob nun fünf Jahre Wiederholung des bisher Erlebten folgen oder aber kluge Zuspitzungen und durchaus auch Provokationen, die uns alle aufrütteln, das liegt in erster Linie an Frank-Walter Steinmeier selbst. Nötig wäre es."
"Rhein-Zeitung" (Koblenz): "Der neue Bundespräsident hat sich in seiner zweiten Amtszeit vorgenommen, seine Bühne noch stärker zu nutzen, sichtbarer zu werden. Ihm hilft dabei, dass Angela Merkel nicht mehr im Amt ist. Der Stil der ehemaligen Kanzlerin wurde in ihrer letzten Amtszeit immer präsidialer. Seit Merkel den CDU-Vorsitz 2018 abgegeben hatte, agierte sie parteiübergreifend, wurde von den Bürgern eher als Institution denn als Regierungschefin wahrgenommen. Bei Scholz ist das anders, dieser muss sich in seiner ersten Amtszeit klar als SPD-Regierungschef positionieren und neigt auch nicht zu den ganz großen, staatstragenden Worten. Steinmeier wird hier seine Rolle neu definieren können."
"Rheinpfalz" (Ludwigshafen): "Die Bundesversammlung, planmäßig alle fünf Jahre, hat nur einen Tagesordnungspunkt: die Wahl des deutschen Staatsoberhauptes. Aber auch jenseits dieses Zweckes passt die 17. Bundesversammlung ungewöhnlich gut in die Zeit. Denn es steht momentan nicht zum Besten um das Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Die Pandemie wirkte auch da teilweise wie ein Spaltpilz. Umso besser, dass Bundestag und Landtage sich an diesem Sonntag darauf besannen, einen deckungsgleichen Auftrag zu haben: dem Wohle des Volkes zu dienen. Pure Parteipolitik ist zumeist ein Hindernis bei der Verwirklichung dieses Auftrages. Die Bundesversammlung hat ein sehr deutliches Zeichen der Geschlossenheit gesendet. Frank-Walter Steinmeier ist parteiübergreifend mit der großen Mehrheit der Abgeordneten von SPD, Grünen, FDP und Union gewählt worden."

"Märkische Oderzeitung" (Frankfurt/Oder): "In Krisenzeiten ist Frank-Walter Steinmeier der richtige Mann am richtigen Ort – weil er so bedächtig ist. Dennoch könnte es für den Frieden im Land förderlich sein, wenn er in der zweiten Amtszeit stärker aus der Deckung kommt. Die Impfpflicht ist nur ein Beispiel dafür, dass der Bundespräsident als Vermittler gefragt ist. Zu noch größeren Verwerfungen wird die Klimapolitik führen, vor allem wegen sozialer Härten, die damit verbunden sind. Steinmeier ist als Sozialdemokrat ins Schloss Bellevue eingezogen. Es wäre gut, wenn er den sozialen Fragen mehr Gehör verschaffen würde."