Beim Wort genommen
"Ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen wird eingeführt." (100-Punkte-Programm der Linkspartei)
Die Sicht der Linken
Freie Fahrt für freie Bürger? Oder mehr Sicherheit und Umweltschutz?
Dorothée Menzner
, verkehrspolitische Sprecherin der Linkspartei, sagt zu dieser Frage im Gespräch mit stern.de: "Ein Tempolimit auf Autobahnen trägt zu einer geringeren Zahl von Unfällen, Verkehrstoten und Verletzten bei. Das zeigen die Erfahrungen, die auf Autobahn-Abschnitten mit Geschwindigkeitsbeschränkungen bereits gemacht wurden. Ein weiteres Argument für ein Tempolimit ist das Kyoto-Protokoll. Darin hat sich die Bundesrepublik verpflichtet, ab 2013 deutlich weniger Treibhausgas in die Luft zu pusten. Kluge Autofahrer wissen es: Bei Reisegeschwindigkeiten zwischen 110 und 120 Kilometer pro Stunde kann der Treibstoffverbrauch durchaus um ein Drittel niedriger sein als bei Tempo 140 - und damit auch der Ausstoß klimaschädlicher Gase."
Michael Gehrmann
Bundesvorsitzender des Verkehrsclub Deutschland (VCD)
"Deutschland ist das einzige Land weltweit, in dem auf Autobahnen noch unbegrenzt gerast werden darf. Angesichts von Klimawandel und viel zu hohen Unfallzahlen ist das ein unverantwortlicher Anachronismus. Denn die unbestreitbaren Vorteile eines generellen Tempolimits liegen auf der Hand: Bei einer Begrenzung auf 120 Stundenkilometer würden sofort über drei Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr eingespart, das überfällige Downzising der Autopalette zugunsten leichter und sparsamer Fahrzeuge würde beschleunigt. Außerdem reduziert ein Tempolimit Unfallgefahr und -folgen nachweislich. Weniger Unfälle und gleichmäßigerer Verkehrsfluss durch ein Tempolimit sind obendrein wirksame Anti-Stau-Maßnahmen. Deshalb ist es gut und richtig, dass nach SPD und Grünen auch die Linke das Tempolimit auf Autobahnen in ihr 100-Punkte-Programm aufgenommen hat."
Maximilian Maurer
Sprecher des ADAC
"Der ADAC hält ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen nicht für erforderlich. Die Autobahnen in Deutschland sind bei weitem die sichersten Straßen. Auf ihnen wird rund ein Drittel der Verkehrsleistung abgewickelt. Der Anteil der Unfälle mit Personenschäden ist hingegen mit 6,2 Prozent ebenso wie der Anteil der Verunglückten mit 7,5 Prozent unterdurchschnittlich. Ein Zusammenhang zwischen generellem Tempolimit und dem Sicherheitsniveau auf Autobahnen ist im internationalen Vergleich nicht feststellbar. Die Zahl der Getöteten auf Autobahnen pro eine Milliarde Fahrzeugkilometer liegt in Deutschland bei 2,99 - mit fallender Tendenz. Zahlreiche Länder mit genereller Geschwindigkeitsbeschränkung schneiden schlechter ab als Deutschland, zum Beispiel Belgien, Österreich, Slowenien, Tschechien, USA. In Österreich, wo generell Tempo 130 gilt, ist die Getötetenrate auf Autobahnen etwa 1,5 mal höher."
Andreas Reich
Anwalt für Straßenverkehrsrecht, Bremen
"Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen von 120 oder 130 Stundenkilometern ist dringend erforderlich. Die Unfallstatistiken belegen, dass es deutlich weniger Unfälle gäbe, wenn nicht mehr so gerast werden dürfte. Somit macht sich jeder Politiker, der ein Tempolimit ablehnt, mitschuldig an vielen Verkehrsopfern. Es ist unverständlich, dass es in ganz Europa, nur in Deutschland kein Tempolimit gibt. Außerdem wäre es eine leicht umsetzbare Maßnahme, die sofort Sprit sparen und damit auch den CO2-Ausstoß senken würde. Die Kompetenz, das umzusetzen, liegt beim Bundesverkehrsminister, der hier gefordert ist."
Fazit
Gute Realisierungschancen
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes tragen Autofahrer, die schneller als mit 130 Stundenkilometern unterwegs sind, bei einem Unfall eine Mitschuld. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Politik gegen den ADAC und die Autolobby durchsetzt.