Programm-Check Linkspartei (VI) Stromnetz in öffentlicher Hand?

  • von Tiemo Rink
Was tun gegen stetig steigende Strom- und Gaspreise? Der Staat soll Teile des Stromnetzes wieder in öffentliche Hand überführen, fordert die Linkspartei. Könnte das klappen?

Beim Wort genommen

"Die Strom- und Gasnetze werden in die öffentliche Hand übernommen, Strompreise werden staatlich reguliert." (100-Punkte-Programm der Linkspartei)

Die Sicht der Linken

Strom und Gas wird immer teurer. Meist kurz vor Wintereinbruch werden die Preise drastisch angehoben. Eine mögliche Lösung des Problems: die Rekommunalisierung, also Verstaatlichung, der Strom- und Gasnetze. Das fordert

Hans-Kurt Hill

, Bundestagsabgeordneter und energiepolitischer Sprecher der Linkspartei: "Hohe Preise, schlechter Service und schwindender Einfluss der Städte und Gemeinden sind die Folge privatisierter Stadtwerke. Zunehmend wehren sich Kommunen gegen die Willkür der Energiekonzerne, indem sie die Verträge kündigen oder auslaufen lassen. Die Linkspartei unterstützt die Forderung, dass die Strom- und Gasmonopolisten ihre Stadtwerke-Anteile zurückgeben. Durch Rekommunalisierung erhalten Kommunen vor Ort die Gestaltungsmacht über Energieversorgung zurück. Das schränkt den Einfluss der Konzerne ein und gibt Spielraum bei Preisgestaltung, für die Einführung von Sozialtarifen oder beim Klimaschutz. Das Zurückholen der Energieversorgung in die öffentliche Hand bedeutet: Bezahlbare Energie zu fairen Bedingungen."

Claudia Kemfert

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW Berlin

"Grundsätzlich ist es unerheblich, wem die Netze gehören. Entscheidend ist die Regulierung - also der ungehinderte und faire Marktzugang Dritter. Es muss verhindert werden, dass die Netzbetreiber überhöhte Durchleitungsentgelte verlangen. Sollten die Netze rekommunalisiert werden, müssten die Kommunen zukünftig das Geld für Wartung und Netzausbau bereitstellen. Dass die Energiepreise dadurch sinken würden, ist keineswegs ein Automatismus. Ich bin der Meinung, dass nicht die Bürger durch Steuergelder nun auch noch die heruntergewirtschafteten Netze bezahlen sollten, sondern dies die Konzerne selbst tätigen sollen und dies nicht durch überhöhte Preise von den Kunden zurück fordern sollten."

Camilla Bausch

Ecologic, Institut für internationale und europäische Umweltpolitik

"Die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte ist in der EU gemeinschaftsrechtlich vorgegeben. Im Energiebinnenmarkt sollen Verbraucher die freie Wahl haben, die attraktivsten Angebote zu wählen. Im Gegensatz dazu ist der Netzbereich weitgehend als natürliches Monopol anerkannt. Um überhöhte Preise zu vermeiden, werden die Netzentgelte genehmigt. Ab 2009 im Rahmen der Anreizregulierung, die angemessene Preise und Effizienzanreize setzen soll. Daneben ist eine Voraussetzung für Wettbewerb im Warenmarkt für Strom und Gas der diskriminierungsfreie Netzzugang. Wenn aber Netzbetreiber wie in Deutschland auch im Strom- und Gasmarkt aktiv sind, kommt es zu Interessenkonflikten. Auch hier gibt es deshalb regulierende Vorgaben. Um Interessenskonflikte zu vermeiden, wäre eine weitestgehende Entflechtung strukturell sinnvoll und dem Wettbewerb zuträglich. Dies sind Rahmenbedingungen, die für private wie für kommunale Unternehmen gelten. Weder im Strom- und Gas- noch im Transportmarkt ist jedoch eine 'Rekommunalisierung' eine Garantie für Effizienz, Klimaschutz oder niedrige Preise, auch wenn kommunale Unternehmen in ihre Firmenpolitik politische Erwägungen einfließen lassen können."

Georg Licht

Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim

"Die Marktmacht der vier großen Produzenten von Strom in Deutschland (Eon, RWE, Vattenfall, EnBW) ist beträchtlich. Nicht zuletzt auch dadurch, dass die Verbraucher von den Wechselmöglichkeiten bislang nur sehr zögerlich Gebrauch machen. Die Wettbewerbsbehörden verfügen aber über Instrumente, um der missbräuchlichen Ausnutzung von Marktmacht zu begegnen. Sie müssten nur konsequenter eingesetzt werden. Die Überführung der lokalen Strom- und Gasversorgung in kommunale Unternehmen dürfte nur wenig am Preissetzungsverhalten der überregionalen Stromanbieter ändern. Ich erwarte weder im Bereich der Verteilung noch im Bereich der Erzeugung von Energie von einer Kommunalisierung Preis senkende Auswirkungen."

Mittelmäßige Realisierungschancen

Die Rekommunalisierung alleine scheint keine Garantie für faire Energiepreise zu sein. Um den Preiswucher zu stoppen wäre es sinnvoller, bereits geltende Gesetze auch konsequent anzuwenden.

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Fazit