Die FDP lässt sich Zeit. Wo auch immer man in den Stunden nach der Verzichtserklärung von Johannes Rau bei der FDP reinhört, ist die erste Reaktion: "Wir stehen nicht unter Zeitdruck." Die Liberalen wollen zunächst ihre zurückgefundene Rolle als "Königsmacher", die sie seit der Bundestagswahl so schmerzlich vermissen, auskosten. "November, Dezember frühestens" werde man Namen nennen können, lautet die Devise.
Die ersten Signale von Guido Westerwelle sind entsprechend: Die FDP werde mit ihrer Schlüsselstellung in der Bundesversammlung, wo sie derzeit eine Mehrheit mit CDU/CSU hat, "klug und verantwortungsbewusst" umgehen, sagt er staatsmännisch. "Das Parteibuch kann da wirklich nur an zweiter oder dritter Stelle kommen."
Die FDP ist schon zwei Mal auf den Bauch gefallen
Ganz auf dieser Linie liegt auch die Absicht des FDP-Vorsitzenden, nicht nur das Gespräch mit den Unionsspitzen Angela Merkel und Edmund Stoiber zu suchen, sondern auch mit der SPD-Führung und den Grünen. Westerwelle ist Verfechter der Unabhängigkeitsstrategie der Freidemokraten und will das damit auch dokumentieren. Nicht ohne Einfluss sind in seiner Partei auch die Kräfte, die einen eigenen FDP-Kandidaten aufstellen möchten.
Mit ihrer Strategie ist die FDP allerdings schon zwei Mal auf den Bauch gefallen. 1994 schickte sie Hildegard Hamm-Brücher ins Rennen, gewählt wurde schließlich der Unions-Kandidat Roman Herzog. 1999 gingen die Liberalen dann völlig uneins in die Bundesversammlung. Ein Teil stimmte für die Unionskandidatin Dagmar Schipanski, ein anderer für Rau, der dann auch gewählt wurde.
Eine Frau an der Spitze des Staates
Ein solches Debakel will Westerwelle unbedingt vermeiden. Sein Spielraum für die anstehenden Gespräche ist allerdings jetzt eingeengt. Nach der Festlegung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer auf einen rot-grünen Lagerwahlkampf 2006 ist es so gut wie ausgeschlossen, dass die FDP eine von SPD oder Grünen aufgestellte Kandidatur unterstützen wird.
Dass unmittelbar nach Raus Verzicht die SPD den Namen von Ex-Verfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach ins Spiel bringt, wird bei den Liberalen als Taktik abgetan. Sie richte sich gegen Merkel - "Wenn es eine Frau wird, ist sie als Kanzlerkandidatin aus dem Rennen" - und diejenigen in der FDP, die auch endlich eine Frau an der Spitze des Staates sehen möchten.
Als eigenen Kandidaten könnte die FDP, so ist verbreitet zu hören, allenfalls Fraktionschef Wolfgang Gerhardt aufbieten - allerdings nur, wenn sicher ist, dass er es auch wird. Wie man es dreht und wendet: Seit Wochen fallen auch bei der FDP immer nur zwei chancenreiche Namen aus dem Unionslager: Edmund Stoiber und Wolfgang Schäuble. Und einige erinnern daran, dass Westerwelle ein früherer "Schäuble-Fan" war. Schon im Juni 1998, noch in Helmut Kohls Regierungszeit, rief er in seinem Buch "Neuland" das Ende der Ära Kohl aus und plädierte für eine Kanzlerkandidatur Schäubles.