Bundespräsident Rau kündigte am Donnerstagabend überraschend an, bei der Wahl am 23. Mai 2004 nicht noch einmal anzutreten. Damit beendete der 72-Jährige die monatelangen Spekulationen über seine politische Zukunft. Als Grund für seine Entscheidung nannte er seine Lebensplanung. Alle im Bundestag vertretenen Parteien zollten dem scheidenden Politiker Respekt. In den offiziellen Stellungnahmen wurden die Verdienste des 72-Jährigen hervorgehoben. Gleichzeitig beginnt bei den Parteien die Suche nach einem Nachfolger.
Schröder: "Großer Dank"
Schröder erklärte, Rau habe sein Amt mit „ungewöhnlich großem Erfolg„ geführt. Als Staatsoberhaupt habe sich Rau „in seinem Dienst für alle Menschen in unserem Land gleichermaßen verantwortlich gefühlt. Er hat zusammengeführt, wo andere spalteten". Deutschland schulde Rau "großen Dank". Vizekanzler und Außenminister Joschka Fischer bedauerte die Entscheidung Raus.
Weiter sprach sich Schröder für eine Frau als nächste Bundespräsidentin aus. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz habe Recht mit seinem Vorschlag, dass nun eine Frau an der Reihe sei, sagte er am Freitag am Rande seines Prag-Besuchs vor Journalisten. Vielleicht gelinge es, eine für alle akzeptable Persönlichkeit zu finden.
Zitat
"Uns geht es darum, dass wir eine Persönlichkeit finden, hinter der sich unsere Bürger versammeln können. Das Parteibuch kann da wirklich nur an zweiter oder dritter Stelle stehen."
FDP-Chef Guido Westerwelle über die Nachfolge von Johannes Rau
Auch Opposition würdigt Raus Verdienste
CDU-Chefin Merkel sagte, die Entscheidung Raus verdiene "großen Respekt". "Die Art und Weise, wie er sie bekannt gegeben hat, steht beispielhaft für sein Amtsverständnis." Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle dankte Rau für seine Amtsführung: "Rau hat unserem Land als Bürger-Präsident vorgestanden. Die Deutschen sind ihm zu Dank verpflichtet."
Jutta Limbach SPD-Kandidatin?
Gleichzeitig erhielt die Nachfolgedebatte von Raus Ankündigung neuen Antrieb. Aus der SPD wurde erneut die frühere Bundesverfassungsrichterin Jutta Limbach als Kandidatin ins Spiel gebracht. Bei der Union kursieren verschiedene Namen von Spitzen-Politikern. In der Bundesversammlung, die den nächsten Bundespräsidenten am 23. Mai 2004 wählt, haben weder Rot- Grün noch die Union eine Mehrheit. Die entscheidende Rolle kommt den Liberalen zu.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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FDP hält sich alle Optionen offen
FDP-Chef Guido Westerwelle legte sich in einer ersten Reaktion nicht fest. Er versicherte, dass die Liberalen mit ihrer Schlüsselstellung in der Bundesversammlung «klug und verantwortungsbewusst» umgehen würden.
Stoiber tritt nicht an
Die Union, die in der Bundesversammlung die meisten Mitglieder stellt, meldete ihren Anspruch an, für das höchste Staatsamt einen eigenen Personalvorschlag zu unterbreiten. CDU-Chefin Angela Merkel unterstrich, die Union werde einen eigenen Kandidaten zu gegebener Zeit bekannt geben. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) schloss eine eigene Kandidatur aus. Sein Sprecher sagte der Zeitung "Die Welt", die Union werde zum Ende des Jahres oder Anfang 2004 einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominieren und sich dabei eng mit der FDP abstimmen.
Spekulationen über CDU-Kandidaten
Als mögliche Kandidaten der Union wurden jüngst der frühere Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel und der baden- württembergische Regierungschef Erwin Teufel genannt. Auch Ex-CDU- Chef Wolfgang Schäuble, der frühere Umweltminister Klaus Töpfer, der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof sind für die Union im Gespräch. Der bayerische CSU-Fraktionschef Alois Glück forderte die Union in München zu einer besonnenen Nachfolgedebatte auf.
Frau als Nachfolgerin?
Führende SPD- und Grünen-Politiker machen sich für eine Frau als Nachfolgerin stark. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte im ZDF: "Ich glaube, dass nach so vielen Präsidenten, die Deutschland als demokratischer Staat hatte, es jetzt endlich an der Zeit ist, dass eine Frau Präsidentin unseres Landes wird." Auch Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) plädierte für eine "hoch qualifizierte Frau" als Rau-Nachfolgerin. Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) sagte im ZDF: "Ich hab eine hohe Präferenz für eine Frau."
Als aussichtreichste Kandidatin in der SPD gilt die ehemalige Vorsitzende des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach. Der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Ich halte die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Jutta Limbach für eine sehr geeignete Kandidatin." Auch eine Unterstützung der SPD für eine von der FDP bestimmte Kandidatin wollte er nicht ausschließen.