Reaktionen auf Wikileaks-Enthüllungen Bundesregierung gibt sich gelassen

Neben Angela Merkels Regierungssprecher bemühte sich besonders Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) um Gelassenheit angesichts der neuesten Wikileaks-Veröffentlichungen. Mit den harschen Beurteilungen durch die Diplomaten haben die beiden kein Problem. Wohl aber mit einer anderen Tatsache.

Deutschland reagiert mit großer Zurückhaltung auf die jüngste Internet-Veröffentlichung geheimer Dokumente des US-Außenministeriums. Regierungssprecher Steffen Seibert versicherte in Berlin, die Dokumente belasteten nicht die guten bilateralen Beziehungen. "Die Auswirkungen auf das deutsch-amerikanische Verhältnis sind vernachlässigenswert", sagte er. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten "ist robust, fest und in keiner Weise durch diese Veröffentlichungen getrübt", sagte Seibert. Zwischen beiden Ländern gebe es eine in Jahrzehnten gewachsene tiefe Freundschaft, die auf solch gemeinsamen Werten beruhe, "dass sie durch diese Veröffentlichungen nicht ernsthaft beschädigt wird".

"Eher Lästereien als Analysen"

Seibert sagte, bei den Deutschland betreffenden Unterlagen handle es sich "weniger um Analysen", hier bewegten sich die Berichte eher "auf dem Niveau des Lästerns". Jedoch bedauere die Bundesregierung generell solche Veröffentlichungen, da die Dokumente auf illegale Art und Weise an die Öffentlichkeit gelangt seien. Auch habe es schon ein Telefonat von US-Außenministerin Hillary Clinton mit Westerwelle gegeben, zudem sei der US-Botschafter in Deutschland im Bundeskanzleramt vorstellig geworden.

Bei den von Wikileaks publizierten Unterlagen hatten US-Diplomaten harsche Einschätzungen deutscher Spitzenpolitiker vorgenommen. In den Wikileaks-Berichten wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "Angela 'Teflon' Merkel" genannt, weil viel an ihr abgleite. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wird eine "überschäumende Persönlichkeit" nachgesagt, wobei Begriffe wie "inkompetent" und "eitel" fallen.

Westerwelle spielt Umschreibungen herunter

Diese wenig schmeichelhaften Umschreibungen spielte Westerwelle herunter. "Es soll nicht zu lässig klingen, aber ich habe von Ihnen schon andere Dinge lesen müssen", sagte er zu Journalisten in Berlin. "Das ist so unbedeutend." Stattdessen verurteilte er die Veröffentlichung der vertraulichen Dokumente des US-Außenministeriums. Dadurch könnten Menschen in große persönliche Schwierigkeiten kommen, sagte der FDP-Chef in Berlin. Auch sei die Veröffentlichung "kein altruistischer Akt für die Meinungsvielfalt", sondern mit eindeutigen Interessen verbunden.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die Wikileaks-Enthüllungen verurteilt. Der Vorgang sei "schlimm und unappetitlich", sagte Schäuble in Berlin. Wikileaks werde viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Persönlich habe er gar kein Interesse, die kritischen Kommentare von US-Diplomaten über Spitzenpolitiker zu lesen. "Ich hab's ehrlich gesagt nicht getan." Diese Haltung sei wohl Teil der ihm nachgesagten Sturheit. Er habe noch nicht einmal seine eigenen Stasi-Akten gelesen, sagte der CDU-Politiker, der vor 20 Jahren maßgeblich die Deutsche Einheit mitverhandelte.

Informant in den Reihen der FDP?

In den elektronischen Depeschen der Berliner US-Botschaft ist auch davon die Rede, dass ein "junger, aufstrebender Parteigänger" der FDP die Amerikaner über Interna wie die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP auf dem Laufenden gehalten habe. "Wäre dies der Fall, wäre das natürlich nicht in Ordnung", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz (CDU), im ZDF. Dies sei dann aber weniger ein Problem der USA, sondern das einer Partei. FDP-Chef Guido Westerwelle bezweifelt, dass ein FDP-Informant die Amerikaner im Herbst 2009 über Interna aus den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen informiert hat. "Ich glaube diese Geschichte so nicht", sagte er. "Ich habe unverändert in die gesamte Mitarbeiterschaft der FDP ein ganz großes Vertrauen", betonte er. Dies gelte erst recht für die Mitarbeiter, die bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP dabei gewesen seien. Auch Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) wies solche Verdächtigungen zurück. "Ich halte den Vorwurf für geradezu lächerlich. Ich bestreite, dass es einen Informanten gibt", sagte der frühere FDP-Generalsekretär in der ARD.

Die Internetplattform Wikileaks hatte am Wochenende mehr als 250.000 teils geheime Dokumente aus dem US-Außenministerium veröffentlicht. Medienberichten zufolge belegen diese unter anderem, dass Washington Mitarbeiter der Vereinten Nationen ausspionieren lässt und arabische Staaten eine Zerstörung des iranischen Atomprogramms gefordert haben. Die Dokumente stammen zum größten Teil aus der Zeit von 2003 bis Ende Februar 2010, wie der "Spiegel" berichtete. Bereits im Juli hatte Wikileaks Zehntausende US-Militärakten über den Krieg in Afghanistan veröffentlicht.

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