Reformdebatte High Noon am 10. Dezember

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat von der Opposition mehr Bewegung in den Verhandlungen zur Reformpolitik gefordert. Es gebe die Pflicht zum Kompromiss. Unionsfraktionsvize Friedrich Merz warf der Regierung Realitätsverlust vor.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat im Vermittlungsverfahren zu den Arbeitsmarktreformen mehr Bewegung von der Opposition gefordert. Es gebe die Pflicht zum Kompromiss, sagte der Minister am Donnerstag im Bundestag und widersprach damit der CDU-Chefin Angela Merkel. Clement betonte, "wir müssen zeigen, dass Deutschland reformfähig ist". Der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber, sieht nach der zweiten Verhandlungsrunde des Vermittlungsausschusses die Einigungschancen skeptisch.

Huber verlangt Kompromissbereitschaft

Huber verlangte im Gegenzug von Rot-Grün mehr Kompromissbereitschaft. "Entweder es bewegt sich in der Sache etwas, oder man muss die Konsequenzen tragen", sagte der CSU-Politiker am Mittwochabend nach den Beratungen zu den Arbeitsmarkt- und Steuerreformen. Mit Appellen werde man die Opposition nicht in die Knie zwingen, sagte er in Anspielung auf Bundeskanzler Gerhard Schröder. Der hatte die Opposition im Bundestag aufgefordert, Patriotismus zu zeigen und den rot-grünen Reformgesetzen zuzustimmen.

"Für uns ist der 10. Dezember High Noon", betonte Huber. An diesem Tag wollen die Vermittler die Einigungsvorschläge prüfen und unter anderem entscheiden, ob die Steuerreform vorgezogen wird und wie die Gegenfinanzierung aussehen soll. Bis zu diesem Termin loten die beiden Arbeitsgruppen die Chancen für Kompromisse aus. Der SPD-Parteitag habe mit seinen Beschlüssen zur Erbschaftsteuer und zur Ausbildungsplatzabgabe die "Weichen gestellt in Richtung Steuererhöhung", sagte Huber. Die Weigerung von Hans Eichel, den EU-Sparauflagen nachzukommen, lasse Zweifel am Sparwillen des Finanzministers aufkommen.

Huber bekräftigte die Bedingung der Union für einen Kompromiss: Die Steuersenkung dürfe nur zu maximal 25 Prozent über Schulden finanziert werden. Außerdem müssten die Bereiche Steuer und Arbeit zusammen beraten werden.

Merz: Von der Realität entfernt

Unionsfraktionsvize Friedrich Merz warf der Regierung vor, sich meilenweit von der Realität in den Unternehmen entfernt zu haben. Wer den Zusammenhang zwischen Steuer- und Arbeitsgesetzgebung bestreite, lege den Kern für das Scheitern des Vermittlungsausschusses.

Auch FDP-Faktionsvize Rainer Brüderle forderte eine Einigung im Vermittlungsverfahren. Ansonsten sei eine Chance vertan, sagte er. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück (SPD), sagte im WDR, die eigentlichen Verhandlungen könnten erst nach dem Bundesparteitag der CDU am kommenden Montag und Dienstag beginnen. "Es spitzt sich alles zu auf das Datum 10. Dezember, die Vermittlungsausschusssitzung, die dann versucht, die Arbeitsgruppenergebnisses wirklich in Lösungen zu überführen." Bis dahin sei die Dramaturgie ein bisschen "wie das Mikado-Spiel: Wer sich zuerst bewegt, verliert".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Das starke öffenliche Interesse

Der Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD), der am 5. Dezember die Leitung des Vermittlungsausschusses von Joachim Hörster (CDU) übernimmt, verwies auf das starke öffentliche Interesse an den Verhandlungen. Für einen Kompromiss müsse man "nicht immer wieder seine Ausgangsposition schön schmuck darstellen", sondern signalisieren, wo man bereit sei, aufeinander zuzugehen, sagte er im ZDF-Morgenmagazin. "Das findet augenblicklich nicht statt, weil es so politisch aufgeladen ist."