REGIERUNGSERKLÄRUNG Der Bundeskanzler erklärt die Regierung

In seiner Regierungserklärung zum Auftakt seiner zweiten Amtszeit stellte Kanzler Gerhard Schröder klar, dass Einschnitte unumgänglich seien und appellierte an das Gemeinschaftsgefühl der Bevölkerung.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat angesichts der schlechten Wirtschaftslage um Verständnis für finanzielle Belastungen der Bürger geworben.

Finanzielle Einschnitte sind notwendig


In seiner Regierungserklärung zum Auftakt seiner zweiten Amtszeit sagte Schröder am Dienstag im Bundestag: »Zu Reform und Erneuerung gehört auch, manche Ansprüche, Regelungen und Zuwendungen des deutschen Wohlfahrtsstaates zur Disposition zu stellen.« Dazu gehöre es, Steuer-Subventionen einzuschränken. Für eine kurzfristige Besserung der Weltkonjunktur gebe es wenige Anzeichen. Als wichtigste Aufgabe bezeichnete Schröder die Reform des Arbeitsmarkts. Die Bundesregierung werde ihre Politik unabhängig von Interessengruppen gestalten. Der Bundeskanzler bekräftigte, Deutschland werde sich nicht an einem Angriff gegen den Irak beteiligen.

Appell an die Bevölkerung

Der Kanzler appellierte in seiner über einstündigen Rede an das Gemeinschaftsgefühl der Bevölkerung. Die Bundesregierung rufe zu einer »Verantwortungspartnerschaft« auf. Zusammen könnten die Schwierigkeiten überwunden werden: »Es geht nicht darum, immer nur zu fragen, was nicht geht. Es geht vielmehr darum, was jede und jeder Einzelne von uns dazu beitragen kann, dass es geht.« Die Regierung werde den Konsens mit der Wirtschaft, den Bürgern und den Interessengruppen suchen. »Aber wir lassen nicht rütteln am Primat der Politik.« Aus der Wirtschaft waren die Finanzpläne der Regierung massiv kritisiert worden.

Schröder sagte mit Blick auf die schlechte Wirtschaftslage, es sei nötig, dass man »bei bestimmten staatlichen Leistungen auch einmal langsamer treten muss«. Auf das Leistungsniveau des Staates könne nicht immer aufgesattelt werden. Die SPD werde aber nicht wahllos Leistungen kürzen und auch nicht die Rechte der Arbeitnehmer beschneiden.

Schröder nennt Einschnitte ausgewogen

»Die in der Koalition vereinbarten Einsparungen und Einschnitte sind in sich ausgewogen«, sagte der Kanzler. Mit ihnen könnten neue Handlungsmöglichkeiten für Wachstum und Beschäftigung gewonnen werden. SPD und Grüne haben in ihren Koalitionsverhandlungen den Abbau zahlreicher Subventionen vereinbart, wie etwa der Eigenheimzulage.

Schröder sagte, die Regierung halte an dem Ziel fest, bis 2006 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen. »Dabei muss klar sein: Der Stabilitätspakt selbst steht nicht zur Diskussion.« Erforderlich sei mehr Flexibilität, um in konjunkturell schwierigen Situationen gegensteuern zu können.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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Kernpunkt Hartz-Konzept

Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik basiere unter anderem auf Investitionen in Bildung und Forschung, auf der Fortsetzung des Konsolidierungskurses und auf Steuerentlastung. Die Umsetzung des Hartz-Konzepts zur Arbeitsmarktreform werde neue Beschäftigungsmöglichkeiten erschließen und eine schnellere Vermittlung von Arbeitslosen bewirken. Eine entsprechende Reform, die verkrustete Strukturen aufbreche, sei auch in der Gesundheitspolitik geplant. Die Renten sollten dauerhaft gesichert und die Beiträge bezahlbar gehalten werden.

Keine Beteiligung an Irak-Angriff

Schröder bekräftigte seine Haltung in der Irak-Politik: Der unbeschränkte Zugang von Waffeninspektoren in den Irak sei unabdingbar. An einer militärischen Intervention im Irak werde sich Deutschland nicht beteiligen. Ausdrücklich hob er aber die Freundschaft Deutschlands zu den USA hervor. Die transatlantischen Beziehungen seien »von strategischer Bedeutung und von prinzipiellem Rang«. Dies schließe unterschiedliche Bewertungen in wirtschaftlichen und politischen Fragen nicht aus. »Wo es sie gibt, werden sie sachlich und im Geiste freundschaftlicher Zusammenarbeit ausgetragen.«

Außen- und Sicherheitspolitik

Ausführlich ging der Kanzler auf die Europäische Union (EU) ein und warb für deren Reform. Die EU müsse auch nach ihrer Erweiterung politisch handlungsfähig bleiben. Vor dem Hintergrund von gerade erst ausgeräumten Unstimmigkeiten mit Frankreich in Agrarfrage betonte Schröder, Deutschland werde bei den Reformen eng mit dem Nachbarland zusammenarbeiten.

Der Kanzler kündigte an, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verabschiedeten Anti-Terror-Gesetze würden bis zur Mitte der Wahlperiode weiterentwickelt. Schröder sagte, der Umfang der Bundeswehr müsse vor dem Hintergrund der sicherheitspolitischen Bedingungen analysiert werden. Geprüft werden müsse, »was wir wirklich an materieller Ausrüstung und Personal benötigen«.

Merkel wirft Schröder Realitätsverweigerung vor

Unions-Fraktionschefin Angela Merkel hat Bundeskanzler Schröder vorgeworfen, in seiner Regierungserklärung die Realität in Deutschland ausgeblendet zu haben. »Ihre Wahrnehmung der Realität, ihre Regierungserklärung ist nicht von dieser Welt«, sagte die CDU-Vorsitzende am Dienstag im Bundestag. Den Koalitionsvertrag von Rot-Grün bezeichnete sie als einen Akt »der Enttäuschung, der Täuschung und Vertuschung«.