Verlängerung der Lebensarbeitszeit Rente mit 70: Wer sie will. Was sie bringt. Wer sie bezahlen soll

Faltige Frauenhände ziehen einen Rentenbescheid aus einem grauen, länglichen Briefumschlag der Deutschen Rentenversicherung
Der Rentenbescheid ist für viele kein Grund zur Freude – entweder, weil die Rente zu gering ausfällt oder weil der Renteneintritt noch auf sich warten lässt
© Felix Kästle / DPA
Die Lebenserwartung steigt, die Geburtenrate sinkt. Der Vorschlag eines Renteneintritts mit 70 stößt nicht nur bei Arbeitnehmern auf wenig Gegenliebe. Aber wie das Rentenproblem lösen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, hatte sich am Montag für eine schrittweise Anhebung des Rentenalters auf 70 Jahre ausgesprochen. Sonst sei das Rentensystem "mittelfristig nicht mehr finanzierbar". Dabei hatte der damalige Arbeitsminister Norbert Blüm in den 1990er Jahren regelmäßig betont: "Die Rente ist sicher". Seitdem hat es schon eine Reihe von Reformen gegeben, um das Rentensystem angesichts höherer Lebenserwartung und sinkender Geburtenrate stabil zu halten. Doch die Lage bleibt schwierig, die Bundeszuschüsse aus Steuermitteln müssen seit Jahren steigen.

Vertreter der Ampel-Parteien lehnen eine Erhöhung des Rentenalters ab. Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch, nannte den Vorstoß von Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Dienstag zutiefst ungerecht. "Die Idee, man könnte Pflegekräfte, Stahlarbeiter oder Feuerwehrleute künftig bis 70 arbeiten lassen zeigt, dass nicht alle bereit sind, die Lebensrealität vieler Menschen zur Kenntnis zu nehmen."

"Wer 67 Jahre alt ist, muss in Rente gehen dürfen", sagte auch der SPD-Arbeitsmarktexperte Michael Gerdes dem RND. Eine weitere Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters bedeute für viele, die nicht länger arbeiten könnten, eine Rentenkürzung. Dies sei ungerecht. Wer länger arbeiten wolle, könne auf freiwilliger Basis die Flexi-Rente nutzen, die laut dem Koalitionsvertrag lukrativer gemacht werden solle.

Ein Überblick zur Problematik:

Warum wird die Rentenfinanzierung immer schwieriger?

Seit Jahren steigt die Lebenserwartung in Deutschland, gleichzeitig ist die Geburtenrate gering. Die Folge: Immer weniger Erwerbstätige müssen eine immer größere Zahl von Rentnern finanzieren. 

Laut Statistischem Bundesamt lebten 2019 rund 18 Millionen Menschen ab 65 Jahren in Deutschland. Bei einer moderaten demografischen Entwicklung wird ihre Zahl demnach bis 2037 mit 23,3 Millionen einen Höhepunkt erreichen und sich dann längerfristig auf diesem Niveau stabilisieren. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Erwerbstätigen – je nach Szenario der Statistiker bis zum Jahr 2060 um zwei bis zehn Millionen.

Wie sieht die aktuelle Regelung zum Renteneintritt aus?

Vor 2012 konnten Erwerbstätige im Alter von 65 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen. Seitdem steigt das Renteneintrittsalter schrittweise von Jahrgang zu Jahrgang um ein bis zwei Monate an. Für Menschen, die 1958 geboren wurden, liegt das Rentenalter damit schon bei 66 Jahren, für alle, die nach 1964 geboren wurden, bei 67 Jahren. Ausnahmen von der Anhebung des Renteneintrittsalters gelten unter anderem für Schwerbehinderte und bei verminderter Erwerbsfähigkeit.

Kann ich dennoch früher in Rente geben?

Ja, unter bestimmten Bedingungen. Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, kann auch künftig bei vollen Bezügen früher aufhören zu arbeiten. Früher war das ab 63 Jahre möglich, für Jahrgänge ab 1953 verschiebt sich die Altersgrenze nun aber gleichfalls schrittweise auf 65 Jahre. 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Für langjährig Versicherte, die mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, ist es auch weiter möglich, mit frühestens 63 Jahren in Rente zu gehen, wenn sei einen dauerhaften Rentenabschlag in Kauf nehmen. Dieser liegt bei bis 14,4 Prozent. Dabei werden für jeden Monat vorzeitigen Renteneintritt 0,3 Prozent von der Rente abgezogen. 

Was ist die Haltung der Bundesregierung zur Debatte um die Anhebung des Rentenalters?

"Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben", heißt es kategorisch im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Vereinbart wurde zudem, dass der Beitragssatz zur Rentenversicherung in dieser Legislaturperiode nicht über 20 Prozent steigen soll. Er liegt derzeit bei 18,6 Prozent, wobei Arbeitnehmer- und Arbeitgeber je die Hälfte zahlen. Das Mindestrentenniveau von 48 Prozent soll nach der Koalitionsvereinbarung zudem dauerhaft gesichert werden.

Was wurde zur Stabilisierung der Rentenfinanzierung vereinbart?

Um die Lasten zwischen den Generationen besser zu verteilen, will die Ampel-Koalition nun einen Kapitalstock für die gesetzliche Rentenversicherung einrichten. Renditen für das angelegte Kapital sollen später in Rentenzahlungen fließen. Die bisherige umlagefinanzierte Rente aus Beiträgen der arbeitenden Bevölkerung wollen die Parteien laut Koalitionsvertrag "durch die Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie die erwerbsbezogene und qualifizierte Einwanderung stärken".

Frugalist Florian Wagner ist Extrem-Sparer
Frugalist Florian geht mit 40 in Rente: So könnten auch Sie das schaffen
Extrem-Sparfuchs Florian geht mit 40 in Rente: So könnten auch Sie das schaffen

Wo kann ich mehr zu Rentenbeginn und -höhe erfahren?

Die Deutsche Rentenversicherung stellt auf ihrer Website umfangreiche Informationen zur Verfügung. Dort gibt es auch einen Rechner zu Rentenbeginn und Rentenhöhe.

AFP
tkr/Martin Trauth