Die CSU-Spitze will in einer Telefon- Schaltkonferenz über die Frage beraten, ob Parteichef Edmund Stoiber wie geplant als Minister nach Berlin geht oder doch in München bleibt. Am Montag hatte Stoiber erklärt, nach Münteferings Rückzug gebe es für ihn eine "veränderte politische Lage". Der Noch-SPD-Chef sei ein Eckpfeiler in der großen Koalition, den "wir alle wollen". Stoiber soll eigentlich Wirtschaftsminister einer großen Koalition werden.
Über Stoibers möglichen Verzicht auf einen Wechsel nach Berlin wird seit Tagen spekuliert. Er streitet mit Merkel über die exakten Aufgabenbereiche des Wirtschaftsressorts. Stoiber strebt die Forschungsabteilung aus dem Bundesbildungsministerium an, das künftig von der CDU-Politikerin Annette Schavan geleitet werden soll. Stoiber war zuletzt auch innerparteilich erheblich kritisiert worden. Parteikollegen hatten sich verärgert gezeigt, da er sich Rückzugsmöglichkeiten offen halte.
Beratungen bis in die Frühe
Dem Vernehmen nach berieten Stoiber, die designierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der hessische Regierungschef Roland Koch (CDU) nach der Koalitionsrunde zum Haushalt am frühen Dienstagmorgen in der CDU-Zentrale in Berlin ihr Vorgehen. Merkel hatte schon am Montagnachmittag erneut deutlich gemacht, dass sie einen Wechsel Stoibers nach Berlin erwartet.
Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Wolfgang Bosbach erhöhte am Dienstag den Druck auf Stoiber: Es wäre gut, wenn in der Frage, ob Bayerns Ministerpräsident als Kabinettsmitglied nach Berlin komme, "möglichst rasch und dann endgültig Klarheit herrschen würde".
Nach dem Eklat um SPD-Chef Franz Müntefering sorgt sich die CDU-Spitze um die Handlungsfähigkeit der SPD in den Koalitionsverhandlungen. "Ich hoffe, dass die instabilen Verhältnisse in der SPD jetzt nicht zu Lasten der Notwendigkeiten des Landes gehen", sagte CDU-Präsidiumsmitglied Hildegard Müller der "Rheinischen Post". "Wir haben eine große Aufgabe vor uns und können keine SPD gebrauchen, die sich mit sich selbst befasst."
Auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) sieht nach dem angekündigten Rücktritt Franz Münteferings als SPD-Parteichef die große Koalition in Gefahr. "Das ist mehr als bedenklich", sagte er zur Nachrichtenagentur DPA. Das Chaos könne derzeit "nicht größer" sein. Zöller warnte vor einem Linksruck bei den Sozialdemokraten. "Angenommen, die SPD würde noch mehr linke Forderungen stellen, sehe ich alles in Gefahr."
Zur Krise bei der SPD sagte Bosbach, dass die SPD "bald wieder Tritt fasst". "Wir hoffen auch, dass es nicht zu einer politischen Verschiebung kommen wird, dass sich die SPD nicht noch weiter nach links orientieren wird." Nach wie vor laufe aber alles auf eine große Koalition hinaus.