In Kiel herrschen nach der Landtagswahl klare Verhältnisse. "Der Wahlsieger ist die CDU, sind wir", ruft ein sichtlich gelöster CDU-Kandidat und Ministerpräsident Daniel Günther am Sonntag seinen jubelnden Anhängern zu. Hinter der CDU dagegen erlebt die SPD ein historisches Desaster, sie wird sogar noch von den Grünen überholt. Die wichtigsten ersten Erkenntnisse aus der Wahl in Kiel:
Die CDU als strahlender Gewinner
Für die CDU endet die Wahl im hohen Norden mit einem fulminanten Sieg. In Umfragen seit langem allen anderen Parteien weit enteilt, schneidet sie laut den Hochrechnungen noch überlegener ab. Bei mehr als 43 Prozent liegt sie darin - so viel erreichte sie zuvor zuletzt bei Wahlen in den 80er Jahren.
Traditionell liegen CDU und SPD im Norden außerdem meist deutlich dichter beisammen. Dass es diesmal anders ist, ist ein Verdienst der erfolgreichen Regierungszusammenarbeit mit Grünen und FDP in den vergangenen fünf Jahren - und vor allem auch eine Folge hoher persönlicher Zustimmungswerte für den Ministerpräsidenten selbst.
Günther ist der Erfolgsgarant seiner Partei, Wahlforscher sprachen von einer unzweideutigen "Personenwahl". Der Sieger selbst spricht am Wahlabend unter frenetischen "Daniel, Daniel"-Rufen von einem "enormen Vertrauensbeweis", der ihn "berührt, auch persönlich". Man kann es aber auch wie FDP-Chef Christian Lindner formulieren: "Das war keine Landtagswahl, das war eine Günther-Wahl."
Desaster für die SPD
Die SPD dagegen erlebt bei der Wahl ein Desaster. Sie fährt laut Hochrechnungen das schlechteste Landtagswahlergebnis ihrer Geschichte in Schleswig-Holstein ein. Sogar die Grünen überholen die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenmann Thomas Losse-Müller, der gegen Günther chancenlos ist.
Von Selbstzweifeln indes ist bei der SPD an diesem Abend wenig zu hören, von Kritik an ihrem Konzepten und ihrem Kandidaten will die Partei nichts wissen. Losse-Müller selbst verweist auf die "große Herausforderung" eines Wahlkampfs gegen die erfolgreiche Regierung und die Schwierigkeiten, in den Zeiten von Coronakrise und Ukraine-Krieg mit landespolitischen Themenideen durchzudringen.
Auch SPD-Landeschefin Serpil Midyatli und das Kieler SPD-Urgestein Ralf Stegner stärken Losse-Müller am Sonntagabend den Rücken. Die SPD habe auf die richtigen Themen und "den richtigen Kandidaten" gesetzt, betont Midyatli. Stegner spricht von einem "Debakel", sieht aber ebenfalls den Grund in den Umständen. Er hoffe, dass Losse-Müller "nicht aufgibt" und sich nun im Landtag profiliere.
Deutlich zu erkennen ist, wie sehr sich die Genossen bemühen, Bundeskanzler Olaf Scholz nicht mit dem desaströsen Abschneiden in Verbindung zu bringen. Zwar sagt Generalsekretär Kevin Kühnert: "Die SPD ist in Schleswig-Holstein unter die Räder gekommen." Gleichzeitig beeilt er sich später hinzuzufügen: "Da steckt kein Olaf Scholz in dieser Niederlage drin."

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Wer regiert künftig mit wem?
Die Frage nach der künftigen Regierung in Kiel bleibt am Wahlabend offen. Die CDU könnte demnach Zweierkoalitionen mit Grünen, FDP oder sogar dem SSW schmieden. Ein Dreierbündnis wäre anders als 2017 nicht mehr nötig. Gerade dass allerdings sorgt bei Günther eben nicht für besondere Begeisterung. Vor der Wahl bezeichnete er die Fortsetzung von Jamaika als "Wunschkonstellation".
Selbst in der Stunde seines wohl größten Triumphs vergisst er am Sonntag nicht, auf den Anteil von Grünen und FDP an seinem Erfolg hinzuweisen. Gemeinsam sei ein "neuer Stil" geprägt worden. Er werde daher nun mit beiden sprechen. Auch CDU-Vizelandeschefin Karin Prien sekundiert: Es sei "eine Frage des Respekts", dass die CDU sich vor Gesprächen nicht zu einer Koalitionspräferenz äußere.
Was bedeutet das für die anderen Parteien?
Insbesondere für die Grünen bringt das Wahlergebnis eine bittere Mischung aus Freude und Sorge. Sie erreichen laut Hochrechnungen ihr bestes Landtagswahlergebnis. Trotzdem könnten sie am Ende auf den harten Oppositionsbänken landen, falls sich die CDU in den nun anstehenden Koalitionsgesprächen am Ende für die FDP entscheidet.
Für die in Schleswig-Holstein tief zerstrittene AfD könnte eine jahrelang Erfolgsserie reißen, wenn sie dort zum ersten Mal aus einem Landtag fliegt. Der SSW hingegen fährt sein bestes Ergebnis seit 1950 Jahren ein. Spitzenkandidat Lars Harms erklärt am Sonntag auch die Bereitschaft zu Koalitionsgesprächen. Eine demokratische Partei solle zu dieser Option "nie nein sagen".
Welche Auswirkungen hat das Ergebnis auf die Landtagswahl in NRW?
Schleswig-Holstein schön und gut. Aber den ganzen Wahlabend in Kiel hatte man den Eindruck, dass das eingetretene Ergebnis in den Parteizentralen bereits eingepreist war. So schön 43 Prozent für die CDU an der Förde auch sein mögen: Viel mehr zählt ein Erfolg in der kommenden Woche in Düsseldorf. Und hier ist das Rennen zwischen Amtsinhaber Hendrik Wüst (CDU) und SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty den Umfragen zufolge deutlich offener. CDU-Chef Friedrich Merz kann durch Daniel Günthers Triumph nach dem Desaster an der Saar erst mal durchpusten. Mehr aber auch nicht. Sollte Christian Wüst in Düsseldorf nicht gewinnen, wäre der Lack beim neuen CDU-Vorsitzenden Merz, Kiew-Reise hin oder her, schon ein wenig angekratzt. Umgekehrt kann es SPD womöglich einmal gelingen, Olaf Scholz nach einer vergeigten Landtagswahl aus der Schusslinie zu bringen. Ein zweites Mal, nach einem Scheitern an Rhein und Ruhr, dürfte das keinesfalls so lautlos zu bewerkstelligen sein.