Die Griechenland-Retter haben Hellas schon mit knapp 150 Milliarden Euro über Wasser gehalten. Das Land strebt trotzdem endgültig der Pleite entgegen. Seine Unterstützer halten es offenkundig nicht mehr für möglich, dass Hellas ohne weiteren Schuldenerlass auf die Beine kommt. Die derzeit laufende Prüfung der Finanzlage und der Reformbemühungen Griechenlands durch die Geldgeber wird nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters zu einem verheerenden Ergebnis führen. Der Schuldenberg sei nicht mehr beherrschbar und ein weitere Aufforderung an die Kreditgeber zu einem weiteren Geldverzicht unvermeidlich, zitierte Reuters drei hochrangige EU-Vertreter in Brüssel. "Die Analyse der Schuldentragfähigkeit wird ziemlich furchtbar sein." Der überschuldete Eurostaat sei weit vom Kurs abgekommen, habe der Insider gesagt. Reuters gilt als sehr gut vernetzt und absolut zuverlässig.
Eine Bankrotterklärung erfolgt aber erst dann, wenn das Land definitiv Zahlungsunfähigkeit feststellen und erklären muss. Der erste Schuldenschnitt erbrachte für Hellas Linderungen von mehr als 100 Milliarden Euro. Ein weiterer würde vermutlich auch die Kassen der Eurostaaten treffen, die Athen stützen. Vertreter der Kontroll-Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) prüfen aktuell, ob die Reformfortschritte zum Erfolg führen. Sollte Griechenland zu weit vom vereinbarten Sparweg abgewichen sein, sind die Chancen auf weitere Milliardenspritzen marginal oder gar null.
Die griechische Rezession könnte noch deutlich gravierender ausfallen als bislang vermutet. 2012 sei mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um "mehr als sieben Prozent" zu rechnen, sagte Ministerpräsident Antonis Samaras. Die griechische Zentralbank war zuvor von rund 4,5 Prozent ausgegangen. Griechenlands Wirtschaft befindet sich das fünfte Jahr in Folge in der Rezession. Die Geldgeber verlieren zunehmend die Geduld mit dem Land, das im Teufelskreis von Sparen und schrumpfender Wirtschaft gefangen ist.
Samaras geht auf Rösler los
Das zweite, 130 Milliarden Euro schwere Rettungspaket sollte Griechenland helfen, den Schuldenstand von mehr als 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Frühjahr bis 2020 auf 120 Prozent zu drücken. Nur unter dieser Bedingung beteiligte sich der IWF an der Finanzhilfe. Er soll gedroht haben, die Hilfe einzustellen. Offizielle Angaben liegen nicht dazu vor. Deutschland und andere finanzstarke Eurostaaten sind bisher nicht bereit, ein noch größeres Kreditpaket zu schnüren. Falls der IWF die Hilfe einstellt, müssten die Europäer noch höhere Beträge zuschießen.
Auf Signale aus Partnerstaaten, den Geldhahn zuzudrehen, hat Griechenland mit scharfen Attacken reagiert. Ministerpräsident Samaras bezog sich am Dienstag in Athen offenkundig vor allem auf die Aussage des deutschen Wirtschaftsministers Philipp Rösler (FDP), der am Wochenende einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone für möglich hält und seine Einschätzung mit den Worten begründet hatte, dass dieser Schritt "längst seinen Schrecken verloren" habe. "Ich sage es offiziell: Es handelt sich um Untergraber unserer nationalen Bemühungen", erklärte Samaras vor Abgeordneten seiner Partei. "Wir tun, was wir können, damit das Land wieder auf eigenen Beinen stehen kann, und sie tun alles, was in ihrer Macht steht, damit wir scheitern."
"Bewusst oder aus Dummheit"
Er wisse nicht, ob die Politiker, die sich über Griechenland äußerten, "bewusst oder aus Dummheit" solche Dinge in die Welt setzten. "Ich weiß nur, dass sie unverantwortlich sind", erklärte der Regierungschef. "Sie werden es nicht schaffen." Samaras nahm Röslers Namen nicht in den Mund. Er sagte: Die Aussagen "einiger europäischer Vertreter, dass Griechenland seine Ziele nicht schaffe, untergraben unsere Bemühungen". Allerdings war klar, dass er Rösler meinte. Seine Rede wurde im griechischen Fernsehen übertragen. Der griechische Premier betonte abermals, Hellas brauche dringend Investitionen und Wachstum.
Bundeswirtschaftsminister Rösler hatte am Sonntag im ARD-Sommerinterview gesagt: "Für mich hat ein Austritt Griechenlands längst seinen Schrecken verloren." Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Spitzenvertreter von CDU und CSU hatten zugleich erklärt, dass Griechenland keinen Aufschub bei den Reformen erhalten solle und auch die Hilfszusagen nicht erhöht werden sollten.