SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel hat nach den Attentaten in Frankreich zu politischer und sprachlicher Mäßigung aufgerufen. "Ich kann nur davor warnen, auf dem Rücken der Toten von Paris eine innerdeutsche Flüchtlingsdebatte auszutragen", sagte Gabriel dem stern. "Die Menschen aus Syrien flüchten vor den gleichen Terroristen, die in Paris zugeschlagen haben. Sie sind die ersten Opfer des IS. Wir sitzen in einem Boot."
Deutschland brauche auch keine Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge, wie von der CSU und Teilen der CDU verlangt. "Nicht die Zahl ist das Problem, sondern die Geschwindigkeit, mit der die Flüchtlinge gerade zu uns kommen", so Gabriel. "Wir müssen also Geschwindigkeit rausnehmen." Dafür sollten mithilfe der Türkei die Außengrenzen der EU gesichert werden. "Das müssen wir im kommenden Jahr schaffen."
"IS mit militärischen Mitteln allein nicht zu stoppen"
Gabriel rechnet nicht damit, dass die Franzosen Unterstützung der Bundeswehr im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) erwarten. "Das wird Frankreich nicht von uns verlangen." Er warnte zugleich davor, den Kampf gegen den IS mit Krieg gleichzusetzen. "Ich will dem IS nicht noch die Ehre geben, sein Selbstverständnis zu übernehmen", sagte der SPD-Vorsitzende dem stern. "Die Feststellung ‚Wir sind im Krieg' ist gleichbedeutend mit dem Aufruf ‚Zu den Waffen'", so Gabriel wörtlich. "Der Ruf nach ‚Krieg' verengt den Blick."
Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass der IS mit militärischen Mitteln allein nicht zu stoppen sei. Dies werde nur auf Mithilfe der Nahost-Staaten und auf diplomatischen Weg gelingen. Unter anderem hatte Bundespräsident Joachim Gauck im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen von einer "neuen Art von Krieg gesprochen".
Dass Deutschland bisher von Attentaten des IS verschont ist, nannte Gabriel "Glück". Außerdem habe "uns sicher geholfen, dass wir unter Gerhard Schröder Nein zum völkerrechtswidrigen Irakkrieg gesagt haben". Trotzdem sei Deutschland für den IS eine Zielscheibe, die Gefahr terroristischer Anschläge, so Gabriel, "ist auch bei uns hoch". Der Vizekanzler plädierte in diesem Zusammenhang für "einen starken Staat gegen diesen Angriff auf die Sicherheit unserer Bürger".