"Feuer, Feuer", riefen mehrere Delegierte gleichzeitig. Schon wieder wurde Kurt Beck die Show gestohlen. Diesmal nicht von seinen Berliner Parteigenossen, sondern von Flammen, die plötzlich während seiner Rede in der Mainzer Phönixhalle unter der Decke aus einer Steckdose loderten. Doch während in der rheinland-pfälzischen SPD immer noch Ärger über die Geschehnisse des vergangenen Wochenendes schwelt, waren die Flammen in Mainz dank eines Feuerwehrmannes schnell gelöscht. "Dann kann ich ja mit meiner zündenden Rede weitermachen", kommentierte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident den Vorfall sichtlich erleichtert.
Fast eine Woche ist es nun her, dass Kurt Beck von seinem Amt als Parteivorsitzender der SPD zurückgetreten ist. Doch in seiner Heimat ist darüber kaum jemand traurig. Als Kurt Beck am Samstagvormittag gegen halb elf die Halle betritt, wird er von etwa eintausend Parteigenossen frenetisch empfangen. Minutenlanger Applaus begleitet den Landesvorsitzenden auf seinem Weg auf die Bühne. Ein paar seiner Parteigenossen haben extra Transparente gemalt: "Hallo Kurt, schön, dass du wieder da bist" und "Wir wissen, was wir an dir haben" ist darauf zu lesen.
Ein dankbares Publikum für Beck
"Ich danke euch für diesen Empfang", sind die ersten Worte, die er ins Mikro spricht. Kurt Beck lacht, doch die Querelen der letzten Tage sind ihm noch deutlich anzusehen. Immer wieder legt sich seine Stirn unbewusst in Falten. Bevor er in seiner einstündigen Rede auf die rheinland-pfälzische Landespolitik eingeht, gibt er einige Spitzen in Richtung Berlin ab. "Die Umgangsformen eines Wolfsrudels sollten wir überwinden" und "Wir dürfen uns nichts vorspielen, sonst ist die wirkliche Politik schnell am Ende", sind die zwei deutlichsten. Einen gewissen Groll kann er in seiner Stimme nicht verbergen. Erst als er über den Weinbau, Kindergartenplätze und den Hochwasserschutz in Rheinland-Pfalz spricht, wirkt Kurt Beck gelassener und wieder in seiner Routine angekommen. Mit seiner Rede spricht er seinen Parteigenossen in Rheinland-Pfalz aus dem Herzen. Viele sind extra angereist, um "ihrem Kurt" ihre Unterstützung zu demonstrieren.
So wie Wolfgang Zeiler, der zusammen mit seiner Frau aus dem Westerwald angereist ist: "Kurt Beck gehört hierher. Dass es in Berlin nicht geklappt hat, ist umso besser für uns in Rheinland-Pfalz." So sehen es auch Hans-Joachim Heidecker und Gerold Müller vom Mainzer Ortsverein der SPD - "Kurt Beck hat sich genau richtig verhalten. Er hat sich in Berlin nicht verbiegen lassen und Rückgrat bewiesen. Das kann man bei anderen Politikern sonst lange suchen." Verärgert über die Berliner Parteikollegen sind die beiden nicht, aber es sei schon unfair gewesen, wie das Ganze abgelaufen ist. "Vielleicht hat Kurt Beck zu sehr an das Gute in der Politik und in den Menschen gedacht, und das sollte man wohl nicht", fügt Heidecker noch hinzu. "Aber er hat eben nie den Kontakt zur Basis verloren."
Zu provinziell - das können sie hier nicht hören
Anna Gros aus Trier, die Vorsitzende des Landesausschusses der Jusos, ist dagegen schon ein wenig enttäuscht. "Kurt Beck hat sich bemüht, die Partei zusammenzuhalten. Und dann scheitert er daran, dass nicht alle hinter ihm stehen, das ist schon schade. Aber wenn nicht alle mit offenen Karten spielen, ist man einfach machtlos." Besonders stört sie der häufig genannte Vorwurf, dass Kurt Beck zu provinziell gewesen sei. "Das kann ich wirklich nicht mehr hören. Was soll denn daran schlimm sein? Schließlich ist ein Großteil Deutschlands ebenfalls Provinz."
Die Delegierten Sandra Schwind und Constanze Schmitz aus Kaiserslautern sehen die Ereignisse in ihrer Partei gelassener. "So was passiert immer wieder in der Politik, da kann man nicht sauer sein." Sie sind ebenfalls der Meinung, dass Kurt Beck alles richtig gemacht hat und sagen dasselbe wie die Mainzer Genossen: "Er hat sich nicht verbiegen lassen und das ist gut." Beide haben die Erfahrung in der vergangenen Woche gemacht, dass viele Rheinland-Pfälzer das ähnlich sehen. Bei Gesprächen beim Einkaufen und Arbeitsplatz sei der Tenor meist derselbe gewesen. "Schön, dass Kurt Beck wieder da ist." Den Beweis, dass es seine Partei wirklich ernst meint, liefert seine Bestätigung als Landesvorsitzender: 99,5 Prozent der Delegierten stimmen für Kurt Beck. Den nach der Wahl überreichten Blumenstrauß reicht er an seine Frau weiter. Er setzt sich wieder an seinen Platz und hat einen kleinen Augenblick für sich alleine. Zum ersten Mal an diesem Tag sieht Kurt Beck erleichtert und zufrieden aus.