SPD-Parteitag Herbe Denkzettel für Scholz und Clement

Auf dem Bochumer SPD-Parteitag hat die engste SPD-Führung eine Schlappe erlitten. Mit einem leichtem Dämpfer wurde Bundeskanzler Gerhard Schröder als SPD-Vorsitzender bestätigt.

Auf dem Bochumer SPD-Parteitag hat die engste SPD-Führung eine Schlappe erlitten. Mit einem leichtem Dämpfer wurde Bundeskanzler Gerhard Schröder als SPD-Vorsitzender bestätigt. Er erhielt 80,8 Prozent der Stimmen, knapp acht Punkte weniger als vor zwei Jahren. Sein Stellvertreter im Parteiamt, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, kam lediglich auf 56,7 Prozent, mehr als 12 Punkte unter seinem letzten Ergebnis. Auch die neue Stellvertreterin, die Stuttgarter SPD-Landeschefin Ute Vogt, bekam bei ihrer ersten Wahl mit 70,5 Prozent ein mageres Ergebnis.

Mit 90 Prozent (zuvor 90,6) kam Bundestagspräsident Wolfgang Thierse auf das beste Ergebnis, gefolgt von Entwicklungsministerin Heidi Wieczorek-Zeul, die mit 84,6 Prozent ihr letztes Ergebnis noch leicht verbessern konnte. Mit 82,6 Prozent wurde der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck zum neuen Schröder-Stellvertreter bestimmt.

Scholz nur ganz knapp bestätigt

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz wurde nur ganz knapp wiedergewählt. Für den Parteimanager, den viele Delegierte für das schlechte Erscheinungsbild der Partei verantwortlich machen, stimmten lediglich 52,6 Prozent. Er erhielt damit gerade 5 Stimmen mehr als notwendig. Bei seiner Erstwahl vor einem Jahr hatte er noch 91,3 Prozent Zustimmung bekommen. Klar wiedergewählt wurde Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier (84,9 Prozent).

Schröder enttäuscht

Der sichtlich enttäuschte Schröder sprach vor dem Hintergrund der anhaltenden Reformdebatten in der eigenen Partei von einem "ehrlichen Ergebnis, das der Würde unserer Partei gerecht wird". Ähnlich äußerte sich Clement. Offenbar machten die Delegierten damit ihrer Unzufriedenheit mit der Führungsarbeit der letzten Monate Luft. Die zunächst auf dem Bundesparteitag erwartete offene Abrechnung mit dem Regierungsstil des Kanzlers war zuvor in der mehrstündigen Aussprache weitgehend ausgeblieben.

Schröder hatte vor der Wahl von Partei, Wirtschaft und Gesellschaft in einer 80-minütigen, teilweise gefühlsbetonten Rede mehr Rückhalt für seinen schmerzhaften Reformkurs zum Erhalt des Sozialstaates verlangt. "Wir brauchen den Mut zur Wahrheit und den Willen zum Wandel", rief er den 515 Delegierten zu.

Mehr Zuversicht gefordert

Von seiner Partei forderte Schröder trotz der jüngsten Wahlniederlagen und des anhaltenden Stimmungstiefs mehr Zuversicht. Die SPD dürfe nicht vor den aktuellen Problemen kapitulieren und zugleich das Erreichte in Frage stellen. "Wenn wir uns das Leben nicht noch schwerer machen, als es ohnehin schon ist, stehen wir vor einer großen sozialdemokratischen Epoche", sagte Schröder in seiner Rede.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der Kanzler rechtfertigte die harten Einschnitte ins Sozialsystem. Dabei sei ihm «weniges in seiner Regierungszeit so schwer gefallen wie die Entscheidung zur Rente» mit einer Nullrunde. Der große Druck auf die Sozialsysteme habe aber nicht allein durch höhere Beiträge ausgeglichen werden können.

Kritik von der Parteilinken

Parteilinke wie die hessische SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti oder der Sozialpolitiker Ottmar Schreiner vermissten Alternativen zu den sozialen Einschnitten. Juso-Chef Niels Annen warnte davor, die SPD-Stammwählerschaft zu überfordern. "Wir werden es nicht zulassen, dass eine Parteiführung eine demoralisierte und bis ins Mark erschütterte Partei hinterlässt."

Schröder sagte, es schmerze ihn sehr, dass die SPD zuletzt viele Anhänger verloren habe. Die Partei müsse nun dringend geschlossen auftreten und nicht noch selbst die Stichworte für den politischen Gegner liefern. Dabei müsse aber auch klar sein: "Wir müssen Altes aufgeben und neue Wege gehen."

Schröder gesteht Fehler ein

Der Kanzler räumte ein, er habe selbst das Wirtschaftswachstum zu optimistisch eingeschätzt. Die aktuelle Konjunkturkrise erschwere die notwendigen Reformen und führe zu einem Ringen der SPD mit ihren Wählern. Schröder forderte von seiner seiner Partei mehr Mitarbeit: "Regierungsverantwortung trägt nicht nur der Bundeskanzler oder die Bundesregierung allein. Die Partei muss sie schon wollen - und mithelfen, dass sie behauptet wird."

Fraktionschef Franz Müntefering forderte auch die örtlichen SPD-Mandatsträger auf, den Mitgliedern besser zu erklären, "wohin die Reise" bei den Reformen gehe. Dies könne nicht allein der Führung in Berlin überlassen werden. Müntefering meinte, die SPD mache sich häufig selbst das Leben schwer. Man könne nicht erst das Reformpaket beschließen und dann dagegen ständig Bedenken erheben.