SPD-Parteitag in Augsburg Steinbrück kann doch Sozialdemokratie

  • von Jens König
Die SPD, das war zuletzt Drama, Heulen und Zähneklappern. In Augsburg hat die Partei ihre Depressionen abgeschüttelt. Kanzlerkandidat Steinbrück beweist, dass sein Herz sozialdemokratisch schlägt.

Ach, SPD. Irgendwas ist immer: Mal ist die Partei in der Krise, dann wieder ihr Kanzlerkandidat, mal sind die Umfragewerte schlecht, dann wieder die Stimmung. Und in schöner Regelmäßigkeit ist auch alles auf einmal. Die SPD, das ist Drama, Heulen und Zähneklappern. Eine Partei, die, mehr noch als an der Welt, an sich selbst leidet. Ihre Selbstzweifel überwindet sie am liebsten, in dem sie nach einem Retter ruft, der sie aus ihrem Elend befreit - indem er eine Wahl gewinnt oder einfach nur eine gute Rede hält.

Das war ungefähr die Ausgangslage vor dem SPD-Parteitag in Augsburg an diesem Sonntag. Nach dem Parteitag darf man getrost feststellen: Die Partei hat ihre Depression abgeschüttelt. Sie hat ein Wahlprogramm beschlossen, das in zentralen Punkten den Nerv der Gesellschaft trifft. Und ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat eine kluge, sehr sozialdemokratische Rede gehalten, die man in einem Satz zusammenfassen kann: Er kann es doch, Steinbrück ist tatsächlich ein Sozialdemokrat.

Die SPD ist plötzlich wieder von sich selbst überzeugt. Für den Moment glaubt sie daran, dass der nächste Kanzler doch Peer Steinbrück heißen kann. Ob die Partei diese Stimmung allerdings länger als ein paar Wochen erträgt, weiß heute niemand zu sagen. Die SPD bleibt jederzeit anfällig für Krisen.

In Deutschland werden Parteien gewählt, keine Personen

Dafür gibt es ja auch ein paar handfeste Gründe. Die SPD hat sich zwar programmatisch resozialdemokratisiert, sie hat ihre neoliberalen Verirrungen korrigiert, sie setzt auf eine "Politik von unten", sie hat damit in einigen Bundesländern Wahlen gewonnen - aber im Bund trauen ihr die Wähler noch nicht wieder über den Weg.

Es gibt keine Wechselstimmung im Land, die Kanzlerin ist beliebt, die Union liegt in den Umfragen schier uneinholbar vorn. Und die SPD hat einen Kanzlerkandidaten, von dem nicht einmal eigene Anhänger überzeugt sind, dass er der ideale Repräsentant ihrer "Politik von unten" ist. Von den Fehlern und Peinlichkeiten in Steinbrücks bisheriger Kampagne mal ganz zu schweigen.

Ist also schon alles gelaufen für die SPD, kann sie bei der Bundestagswahl einpacken? Klare Antwort: nein. Die Wahl ist noch lange nicht entschieden. Das liegt an einem der langweiligsten politischen Lehrsätze dieser Republik: In Deutschland werden Parteien gewählt, keine Personen. So wenig wie sich Merkel auf ihre Popularität verlassen kann, so sehr darf die SPD darauf hoffen, dass sie mit ihrem Programm der Mitte tatsächlich eine Debatte über die zentrale gesellschaftliche Frage lostreten kann: soziale Gerechtigkeit. Für eine solche Auseinandersetzung ist die SPD ganz gut aufgestellt, Steinbrück im übrigen auch.

Den Wettbewerb mit Merkel wird der Kanzlerkandidat nicht mehr für sich entscheiden können. Aber darum geht es im September auch nicht. Die SPD muss nur die Wahl gewinnen und im Parlament eine rot-grüne Mehrheit erringen. Sehr schwierig. Aber nicht unmöglich.