Hört die Partei auf den Politikberater Klaus-Peter Schmidt-Deguelle, der die SPD schon oft beraten hat, dann ist der 28. November der ideale Termin. Dann müsste sie Frank-Walter Steinmeier offiziell zum Kanzlerkandidaten der SPD küren. Drei Tage später beginnt in Stuttgart der CDU-Bundesparteitag. Und alles redet über Steinmeier. Und nicht über Angie. Oder passiert es am kommenden Sonntag, wenn sich die SPD-Spitze am Schwielowsee nahe Potsdam in einem Edelhotel trifft? Die SPD-Zentrale dementiert. Ulrich Deupmann, der Spin-Doctor des Außenministers, sagt: "Wenn ich es wüsste, dürfte ich es nicht sagen." Schön, wenn man wüsste, ob dies jetzt ein Dementi ist oder keins.
Wie wäre es mit: Zwei Tage vor der bayerischen Landtagswahl am 28. September? Oder zwei Tage danach?
Danach ist schlecht, weil dann SPD-Chef Kurt Beck in den Herbsturlaub verschwindet. Das sähe wie eine Flucht vor seinem Kanzlerkandidaten aus. Zwei Tage davor als Wahlhilfe für die Bayern-SPD wäre einerseits vielleicht gut, vorausgesetzt die SPD bleibt bei dieser Wahl nicht auf ihren mageren 20 Prozent sitzen, und die CSU verliert die absolute Mehrheit. Dann ließe sich jubeln: Steinmeier hat es geschafft. Andererseits kann es auch schlecht sein. Denn die Genossen an Isar und Inn liegen politisch deutlich weiter links als Steinmeier. In dem Positionspapier, mit dem 60 Sozialdemokraten endlich mal einen richtigen Linksruck einfordern, sind die Unterzeichner aus Bayern überproportional vertreten. Und darin wird der Verzicht auf die Agenda 2010 gefordert, für die Steinmeier politisch eindeutig steht.
Erst das Programm, dann der Kanzlerkandidat?
Der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer, der linke Kopf im hessischen Team der Andrea Ypsilanti, hat einen klaren, ganz anderen Fahrplan: "Erst das Programm, dann der Kanzlerkandidat." Mache man es umgekehrt, sei eine Programmdebatte nicht mehr möglich. Denn wer dann programmatische Einwände erhebe, beschädige den Kandidaten.
Die Recherche rund um die K-Frage bringt somit keine Klarheit. Aber überraschende Antworten. Frage an einen Genossen mit Zugang in allerhöchste SPD-Kreise: Wer soll denn Kanzlerkandidat werden? Antwort: "Franz Müntefering." Die Idee ist demoskopisch betrachtet keineswegs abwegig. Denn kaum, dass der Sauerländer wieder in der SPD-Szene richtig präsent ist, liegt er in Umfragen über denkbare Kanzlerkandidaten schon wieder weit vor Beck. Da er aber, wie bei seinem jüngsten Wahlkampfauftritt in München klar zu hören war, den SPD-Chef Beck nicht mal namentlich zu kennen scheint, ist es unwahrscheinlich, dass Beck ihn vorschlägt. Am Schwielowsee könnte "Münte" sowieso nicht zum Kandidaten ausgerufen werden, denn er ist gar nicht eingeladen. In der SPD seufzen sie vernehmlich: Ach, was wäre es doch schön, wenn bei uns mal wieder klar wäre: Der SPD-Chef ist der Kanzlerkandidat.
Selten haben es SPD-Chefs zum Kanzlerkandidaten geschafft
Doch dieser Idealfall ist eher eine Rarität und Erfolg damit keineswegs garantiert. Bei Willy Brandt hat es ja noch geklappt. Helmut Schmidt gewann, obwohl er nicht Parteichef war. Bei Hans-Jochen Vogel, Parteichef und Kandidat, ging es wiederum schief. Rudolf Scharping wurde nur deshalb SPD-Chef, weil er ankündigte, kein Kanzlerkandidat werden zu wollen (was er dann doch wurde - allerdings ohne Erfolg). Johannes Rau war Kanzlerkandidat, aber nie Parteichef und hat verloren. Der Vorsitzende Björn Engholm schaffte es erst gar nicht zur Kanzlerkandidatur. Gerhard Schröder hat 1998 den Parteichef Lafontaine im Kampf um die Kanzlerkandidatur ausmanövriert und dennoch gewonnen. 2002 war Schröder Parteichef und hat es noch mal ins Kanzleramt geschafft. Die Vorsitzenden Franz Müntefering und Matthias Platzeck kamen nicht als Kanzlerkandidaten zum Zuge. Kurt Beck wird es wohl ebenfalls nicht schaffen. Dass er vielleicht noch immer davon träumt, unterstellen ihm seine Gegner. Dass er kein Erfolg versprechender Kanzlerkandidat wäre, steht seit einem halben Jahr fest. Seine Umfragewerte sind katastrophal. Die der von ihm geführten Partei ebenfalls.
Die SPD hat letztlich keinen anderen Kandidaten als Steinmeier. Weil jedoch Beck immer noch den Mann spielt, der sagt, wo es längs gehen soll, wird die Rolle des Außenministers zur Zumutung. Wo immer er innenpolitisch auftritt, muss er beweisen, dass er ein guter Kanzlerkandidat wäre. Nur sagen, dass er es ist, das darf er nicht. Wie soll er in dieser Zwitterrolle Profil fürs Kanzleramt gewinnen? Mit grimmigem Kopfnicken haben seine Freunde vergangene Woche in der "Zeit" gelesen, Steinmeier müsse nun endlich mal von "der grauen zur grellen Eminenz werden". Er solle nun wirklich mal am Gitter des Kanzleramts öffentlich rütteln, anstatt brav zurückgenommen durch brandenburgische Lande zu fahren und Babys zu streicheln. Kurzum, er möge endlich selbst was tun und nicht nur auf die Beck´sche Gnade warten.

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Steinmeier wohl gesonnene Journalisten präsentierten daraufhin mit Blick auf das Spitzentreffen am Schwielowsee die passenden Meldungen. Eile in der Kandidatenfrage sei geboten, Steinmeier stehe auf dem Sprung. Doch unverzüglich warf SPD-Sprecher Lars Kühn den Nebelwerfer an und verkündete: "Wir bleiben bei unserem Fahrplan." Da Kühn für Beck spricht, wenigstens meistens, kann von einer Kandidatenkür am Sonntag keine Rede sein. Denn bisher hat der SPD-Chef immer nur gesagt: "Bis Weihnachten" solle es so weit sein. Wird also wenigstens das Christkind den Kanzlerkandidaten bringen? So präzise will Kühn das wiederum nicht interpretiert sehen. Er sagt: "Zum richtigen Zeitpunkt."