Steuerpolitik der neuen Koalition Berlins Finanzsenator droht mit Klage

Schwarz-gelbe Steuerpolitik am Pranger: Berlins Finanzchef Ulrich Nußbaum befürchtet enorme Löcher in den Länderkassen und droht mit Verfassungsklage. Auch von Expertenseite kommt Kritik.

Der Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) hat der künftigen schwarz-gelben Koalition im Bund damit gedroht, sie vor dem Bundesverfassungsgericht zu verklagen. Es könne nicht angehen, dass die Länder den größten Teil der von dem neuen Bündnis geplanten Steuersenkungen bezahlen müssten, sagte Nußbaum der "Süddeutschen Zeitung". "Wenn der Bund die Finanzierungsfähigkeit der Länder weiterhin so untergräbt, sind die Länder gezwungen, die Frage der Finanzordnung in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen."

Nach Berechnungen der Senatsverwaltung für Finanzen kommen wegen der Koalitionsbeschlüsse auf die Länder Mindereinnahmen von jährlich 14 Milliarden Euro zu. Der Bund müsse dagegen nur zehn Milliarden Euro verkraften. Bis 2013 würden dem Gesamtstaat demnach insgesamt knapp 80 Milliarden Euro fehlen. Rechne man die rezessionsbedingten Mehrausgaben und Mindereinnahmen noch hinzu, steige die öffentliche Gesamtverschuldung von derzeit 1,5 Billionen auf 2,1 Billionen Euro. Damit erhöhe sich die Zinsbelastung von Bund, Ländern und Gemeinden um 20 Milliarden auf über 85 Milliarden Euro.

"CDU/CSU und FDP bereiten mit ihren Koalitionsbeschlüssen den Weg in den Verschuldungsstaat. Die gerade erst vereinbarte Schuldengrenze wird so vom Bund selber untergraben", kritisierte Nußbaum. Die Finanzkrise dürfe jedoch nicht zur Dauerentschuldigung für neue Schulden werden. "Ich frage mich, wo die CDU-Ministerpräsidenten und Ihre Finanzminister in den letzten zwei Wochen waren", sagte der Senator.

"Wachstumsausrichtung nur eine Phrase"

Heftiger Gegenwind für die schwarz-gelben Pläne kommt auch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Einen Etikettenschwindel beim Koalitionsvertrag warf DIW-Chef Klaus Zimmermann Union und FDP vor. "Die Bezeichnung Wachstumsausrichtung ist nur eine Phrase", sagte Zimmermann der "Berliner Zeitung". Erst einmal starte die neue Regierung nur mit einer Steuersenkung für Familien und Arbeitnehmer. Unklar sei, wann die Unternehmen drankämen. Weil es bekannt sei, das private Haushalte viel von dem Ersparten zurücklegten, gehe "es hier eigentlich nicht um Wachstum", betonte der Ökonom. Vielmehr wolle die schwarz-gelbe Koalition offenbar zeigen, welches politische Lager sozial gerechter handele. "Letztlich erscheint der Schritt so, als hätten die Parteien den von vielen erwarteten und auch nötigen harten Sanierungskurs gezielt vermeiden wollen."

Insgesamt wirke der Koalitionsvertrag so, als sei es gegen alle ökonomische Realität vor allem darum gegangen, Wahlversprechen zu halten, kritisierte Zimmermann. Der Kurs laufe klar darauf hinaus, auf eine Sanierung des Haushaltes zu verzichten. Die Ankündigungen blieben vage, und es sei unklar, woher das Geld für versprochene Maßnahmen kommen solle.

"Das läuft nach dem Prinzip: Unter den jetzigen Umständen ist nichts anderes möglich, als einfach loszulaufen, um zu sehen, was noch auf uns zukommt." Die jetzige Wachstumsschwäche sei keine Folge eines zu geringen Konsums. Es wäre besser, auf Forschung und Bildung zu setzen und das Defizit mittelfristig durch Steuererhöhungen zu schließen, schlug der Experte vor. "So verdrängten nicht Staatsschulden private Investitionen." Dagegen gehe es der Regierung jetzt darum, nach den Banken und einigen Unternehmen nun auch die privaten Haushalte an der Rettungsparty zu beteiligen. "Das Kalkül dabei ist, die gerade gewonnene Machtbasis zu sichern und zumindest über die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu kommen."

CDU-Wirtschaftsflügel vermisst Mut zu Reformen

Nach Auffassung des CDU-Wirtschaftsflügels lässt die neue Regierung zu Beginn echten Reformwillen vermissen. "Der Koalitionsvertrag ist keine Reformagenda", kritisierte der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, am Montag im Deutschlandfunk. Auf die Frage, ob es der Koalition an Mut zu Reformen fehle, antwortete er: "Das kann man so sagen." Zwar stimme im Grundsatz die wirtschaftspolitische Richtung, er habe aber Zweifel, ob die im Koalitionsvertrag festgelegten Maßnahmen ausreichten, um die Binnenwirtschaft in Schwung zu bringen. Die großen Strukturreformen, die über langfristiges Wachstum und Beschäftigung entschieden, würden nicht angepackt, bemängelte Schlarmann.

Steuerlich sei absehbar, dass die Koalition zwar die mittleren Einkommensbezieher entlaste, doch was im Bereich der Wirtschaftspolitik geschehe, reiche "mit Sicherheit" nicht aus, so der Wirtschaftspolitiker. Das gelte für Korrekturen an der Unternehmensteuerreform und die Pläne zur Erbschaftsteuerreform. "Dort muss entscheidend nachgearbeitet werden", forderte Schlarmann. Auch bei Strukturreformen am Arbeitsmarkt und in den sozialen Sicherungssysteme bleibe viel zu tun.

Reuters
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