Im Streit um die Hartz-IV-Reform mehren sich die Kompromisssignale aus der schwarz-gelben Koalition. Nach anderen Spitzenpolitikern aus dem Regierungslager ist auch CSU-Chef Horst Seehofer bereit, auf die Opposition zuzugehen. Eine stärkere Erhöhung der Regelsätze um mehr als die vorgesehenen 5 Euro lehnte er in der "Bild am Sonntag" aber ab.
"Beim Bildungspaket können wir darüber reden, ob der Kreis der Empfänger ausgeweitet wird und wie man das möglichst unbürokratisch gestaltet", sagte Seehofer. "Sinnvoll sind darüber hinaus treffsichere Lösungen bei Mindestlöhnen in bestimmten Branchen, vor allem bei der Zeitarbeit." Er hält da einen Mindestlohn vor allem wegen der Öffnung des Arbeitsmarkts für osteuropäische EU-Bürger am 1. Mai für nötig.
Auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist bereit, die geplante Bildungsförderung auf Kinder aus Geringverdiener-Familien auszuweiten. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger hatte ebenfalls Kompromissbereitschaft bei neuen Vorgaben für die Zeitarbeit gezeigt.
Seehofer: "Fünf Euro gehen in Ordnung"
Die vom Bundesverfassungsgericht zum 1. Januar 2011 verlangte Reform war vom Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit beschlossen worden, im oppositionsdominierten Bundesrat aber gescheitert. Sie beinhaltet eine bislang noch unklare Anhebung der Regelsätze - die Regierung plant 364 statt 359 Euro - und eine Bildungsförderung für Kinder aus Hartz-IV-Familien. Das Gesetz soll rückwirkend zum 1. Januar in Kraft treten.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) habe sich bei der Berechnung der Regelsätze streng an die Vorgaben des Verfassungsgerichtsurteils gehalten, sagte Seehofer weiter. "Die Regelsätze wurden objektiv und transparent berechnet. Die SPD müsste erst mal erklären, dass es falsch war, Ausgaben für Zigaretten und Alkohol zugunsten anderer Bedürfnisse herauszunehmen", so der CSU-Chef. "Die Erhöhung um 5 Euro geht in Ordnung und wird auch von der Bevölkerung verstanden", sagte Seehofer. Außerdem gehe es grundsätzlich darum, die Hartz-IV-Empfänger "wieder in Arbeit zu bringen und nicht darum, Bedingungen zu schaffen, damit sie möglichst lange Arbeitslosenleistungen beziehen".
Wohlfahrtsverbände sind ungehalten
Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte die Bundesregierung erneut auf, das Bildungspaket trotz der ausstehenden Entscheidung im Vermittlungsausschuss sofort in Kraft zu setzen. Eine Dienstanweisung von der Leyens an die Bundesagentur für Arbeit wäre ausreichend, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider der Zeitung "Rheinpfalz am Sonntag".
Der Ministerin warf Schneider vor, die Reform "verzögert" zu haben. "Es kann doch nicht wahr sein, dass man jetzt Berechnungen für ein Gesetz anstellen muss, dass nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zum 1. Januar hätte in Kraft treten müssen." Dass von der Leyen zehn Monate nach dem Urteil immer noch ohne verfassungsfestes Ergebnis dastehe, "darf nicht auf Kosten der Kinder gehen".
Den Eltern empfahl der Wohlfahrtsverband sofort zu Jahresbeginn eine Erstattung von Förderleistungen aus dem Bildungspaket zu stellen und bei Ablehnung umgehend Widerspruch einzulegen. Bei einer Klärung vor Gericht sei der Zeitpunkt der Antragstellung entscheidend.

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Die Bundesagentur für Arbeit (BA) rechnet mit der praktischen Umsetzung der Regelsatz-Erhöhung bereits Anfang März und nicht erst Ende März, wie zunächst angenommen. Dazu müsse allerdings die Reform bei der Bundesratssitzung am 11. Februar beschlossen werden und auch sonst alles optimal laufen, da die Bundesagentur für die Umstellung einen gewissen technischen Vorlauf brauche, sagte das zuständige BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt der Nachrichtenagentur DPA.