Die Bürger müssen sich wegen der Euro-Krise und sinkender Steuereinnahmen auf tiefe Einschnitte einstellen – unklar ist, in welchen Bereichen. Die Debatte über die richtigen Prioritäten beim angekündigten scharfen Sparkurs der Regierung ist voll entbrannt. "Wir können Steuererhöhungen nur vermeiden, wenn wir die staatlichen Ausgaben entsprechend den Vorgaben der Schuldenbremse senken“, sagte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) dem "Spiegel". Im Streit mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um Sparmaßnahmen bei der Bildung legte er nach: "Gespart werden muss auch hier." Das Versprechen, ab 2015 rund 13 Milliarden Euro jährlich für Bildung auszugeben, müsse wegen der Wirtschaftskrise abgeschwächt werden. "So schwer es fällt, wir werden das Ziel für Bildung verschieben müssen."
"Deutschland hat über seine Verhältnisse gelebt"
Denkbar seien zudem Kürzungen bei den Beschäftigungsmaßnahmen für Arbeitslose, den Steinkohlehilfen und den Subventionen für den öffentlichen Personen-Nahverkehr, sagte Koch. Er sprach sich für eine "differenzierte Rasenmäher-Methode" nach dem Vorbild der Koch- Steinbrück-Liste aus. Koch und der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident und spätere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatten 2003 eine lange Liste zum Subventionsabbau erarbeitet, die teilweise umgesetzt wurde. "Ich habe keinen Zweifel, dass man da noch einmal zehn Prozent streichen kann", sagte Koch nun.
Merkel sagte der "Süddeutschen Zeitung" (SZ): "Es wird natürlich harte Fragen geben, wo wir sparen." Am Freitag hatte sie erklärt, auf den Prüfstand müssten etwa die Förderprogramme für Arbeitslose. Auch Subventionen müssten überprüft werden.
Bildung und Forschung sollen Schwerpunkte bleiben
Die stellvertretende Regierungssprecherin Sabine Heimbach sprach sich vor dem Hintergrund der Beratungen über den Haushalt 2011 zwar gegen Vorfestlegungen aus. "Klar ist aber andererseits auch, dass gerade Bildung und Forschung ja einen Schwerpunkt für diese Koalition - auch nachlesbar im Koalitionsvertrag - darstellen. Ähnliches gilt für den Ausbau der Kinderbetreuung." Bei diesen Schwerpunkten für die Koalition werde es aus Sicht der Kanzlerin bleiben.
Koch hatte von der schwarz-gelben Koalition gefordert, konkrete Sparziele zu definieren. Es müsse geprüft werden, ob die Garantie eines Betreuungsplatzes für Kinder unter drei Jahren noch zu finanzieren sei. Außerdem verlangte er, den Zeitrahmen für das zwischen Bund und Ländern vereinbarte Ziel zu strecken, zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Schulen und Hochschule auszugeben.
"Faire Steuern" als Regierungsziel
Mit Blick auf Koch, der Einschnitte bei Bildung, Forschung und Kinderbetreuung verlangt hatte, sagte die Kanzlerin der SZ: "Wir haben immer gesagt: Der Schwerpunkt für Deutschlands Zukunftsfähigkeit liegt bei Bildung und Forschung." Sie halte auch nichts davon, die Betreuung der Unter-Drei-Jährigen infrage zu stellen. Wenn Prioritäten diskutiert würden, könne jeder in der Partei seine Meinung sagen. "In der Umsetzung ist es dann Aufgabe der Bundesregierung, den Bundeshaushalt aufzustellen."
FDP-Chef Guido Westerwelle hält weiterhin grundsätzlich an Steuersenkungen bis zum Jahr 2013 fest. "Die Kanzlerin und ich stimmen überein, dass das Ziel dieser Regierung unbeirrt eine Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen in dieser Legislatur bleibt", sagte er dem "Focus". "Faire Steuern bleiben unser Ziel für diese Regierungsperiode."
Seehofer ärgert sich über Koch-Vorstoß
FDP-Generalsekretär Christian Lindner sprach sich im "Hamburger Abendblatt" für Einsparungen im Verteidigungsetat aus. Rüstungsprojekte wie das Raketensystem Meads seien verzichtbar. Außerdem müssten Subventionen etwa bei der Steinkohle und familienpolitische Leistungen überprüft werden.

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Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer äußerte sich verärgert über die Sparvorschläge Kochs. Es ergebe keinen Sinn, wenn jetzt jeder mit einzelnen Vorschlägen in der Sparpolitik komme, sagte der CSU-Chef der "Welt am Sonntag".
Die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder sehen laut "Spiegel" schwere Mängel bei den Regelungen, mit denen Bund und Länder ihre Verschuldung eindämmen sollen. "Die derzeitige Verschuldungsgrenze wird durch die Nutzung von Umgehungs- und Ausnahmetatbeständen ausgehöhlt", heißt es in einem Arbeitspapier für die Konferenz der Rechnungshofpräsidenten. 2009 hatten sich Bund und Länder faktisch auf ein Neuverschuldungsverbot ab 2020 verständigt, lediglich der Bund darf danach in geringem Umfang Kredite aufnehmen.