Die ehemalige RAF-Terroristin Susanne Albrecht - so stand in großen Lettern zu lesen - arbeitet heute als Grundschullehrerin in Bremen. In der Hansestadt wussten das viele, wenn auch nicht unbedingt an ihrer Schule. Seit 14 Jahren schon geht sie dieser Tätigkeit nach, unterrichtet Migrantenkinder, die kaum Deutsch können, in Kleinstgruppen von drei, vier Schülern. Albrecht ist ausgebildete Englisch-Lehrerin, spricht zudem fließend Russisch, ist also hervorragend qualifiziert für ihre Arbeit an der Stadtteilschule.
Albrecht als Lehrerin ist untragbar
Die CDU sieht das anders. "Ich habe nichts gegen Resozialisierung", sagt der Innensenator, Thomas Röwekamp, Spitzenkandidat seiner Partei bei der Bürgerschaftswahl am 13. Mai. "Aber das wir ehemalige Terroristen unsere Kinder unterrichten lassen, ist das falsche Signal". Auch Wolfgang Bosbach, Unions-Fraktionsvize im Bundestag, hat sich sogleich zu Wort gemeldet, warf den Bremer Behörden "Versagen" vor. Albrecht findet er ganz und gar untragbar. Genauso Hartmut Perschau, der Fraktionschef der Bremer CDU: "Wer unsere Kinder unterrichtet, hat eine Vorbildfunktion zu erfüllen. Dafür kommen Terroristen nicht in Frage." Einmal Terrorist, immer Terrorist.
Albrechts RAF-Vergangenheit
Susanne Albrecht wurde 1991 vom Oberlandesgericht Stuttgart zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Aus der RAF war sie zu diesem Zeitpunkt lange ausgestiegen. Vor genau 30 Jahren beteiligte sie sich an der Ermordung des Bankiers Jürgen Ponto, gemeinsam mit Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt. Sie hat nie selbst geschossen, sie hat nie eine Bombe gezündet. Aber sie hat geklingelt, am Abend des 30. Juli 1977 - an der Haustür des damaligen Vorstandssprechers der Dresdner Bank. Ihre Eltern waren mit den Pontos befreundet.
Später lebte Susanne Albrecht unter falschem Namen in der DDR, wurde nach dem Mauerfall verhaftet. Im Prozess sagte sie aus, heimlich die Patronen aus ihrer Waffe entfernt zu haben - damit sie nicht schießen könne. Der RAF warf sie "kaltblütige Brutalität" vor. Jürgen Ponto hatte entführt werden soll, um Gefangene der ersten RAF-Generation freizupressen. Doch er wehrte sich.
Erfolgreiche Resozialisierung
Die Hälfte ihrer Haftstrafe verbüßte Albrecht in Bremen, seit 1993 war sie Freigängerin, drei Jahre später kam sie auf Bewährung frei. Da regierte die große Koalition in Bremen schon gut zwei Jahre. Bildungssenator Willi Lemke (SPD) spricht von einem "gelungenen Beispiel für Resozialisierung". Susanne Albrecht habe nach Verbüßung ihrer Strafe "eine Anrecht auf eine zweite Chance".
Selbstverständlich ist das nicht, auch nicht für Lemke. Gerade eben hat er Hans-Christoph Jahr als Rektor der Hochschule Bremen verhindert, weil dieser 1994 wegen Rechtsbeugung und Verfolgung Unschuldiger zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war. Es sei "unvorstellbar", sagt Lemke, dass einer wie Jahr so einen Posten bekomme. Der hatte als Amtsrichter Ordnungswidrigkeiten verhandelt, die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft bereits verjährt waren.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Sie soll weiter unterrichten
Albrecht - heute 57 - spielte in der RAF der zweiten Generation "keine eigenständige Rolle", sagt Henning Scherf. "Sie gehörte nicht zum harten Kern, innerhalb der RAF galt sie als unzuverlässig, und zu weich für bewaffnete Anschläge. Man hat sie benutzt." Scherf war Bremens SPD-Bürgermeister, als die Bundesanwaltschaft das Bundesland bat, Albrecht doch zu übernehmen. "Sie hat tief und glaubwürdig bereut." Scherf zeigt sich "tief beeindruckt" von der Resozialisierung Albrechts. "Wer das wegwirft, wirft das Fundament weg, auf dem unser zivilgesellschaftliches Zusammenleben organisiert ist."
Der Rektor jener Schule, an der Susanne Albrecht heute arbeitet, weiß nur Gutes über sie zu berichten. Er will sie halten, auf jeden Fall. Von linksextremistischer Indoktrination berichtet er nichts. "Ich habe den Eindruck, dass sie etwas aufarbeitet, für die Gesellschaft", sagte er dem "Weser Kurier". "Das ist heute ihre Lebensgrundlage." Der CDU ist das egal. Es ist ja Wahlkampf.