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Lobbyismus Warum das neue Transparenzregister seinen Namen nicht verdient

Transparenzregister
Wer steckt hinter einer Firma? Das Transparenzregister soll Auskunft geben. Soll ...
© Marijan Murat/ / Picture Alliance
Ein neues Transparenzregister soll offenlegen, wer die verborgenen Eigentümer deutscher Firmen sind und damit bei der Bekämpfung der Geldwäsche helfen. Aber die Regierung macht den Bürgern die Einsicht in das Register schwer - zur Freude von Lobbyisten.

Wenn ein staatliches Register den Namen "Transparenzregister" trägt, erwartet man genau das: Transparenz. Aber wie es so ist im richtigen Leben und darum auch in der Politik: Nicht immer werden Versprechen gehalten.

Seit Herbst 2017 gibt es in Deutschland jedenfalls ein sogenanntes Transparenzregister. So wie es eine im Mai 2015 verabschiedete Richtlinie der EU verlangt, müssen Firmen dort die Namen ihrer Eigentümer eintragen lassen, wenn diese mehr als 25 Prozent an der Firma halten und wenn die Namen dieser "wirtschaftlich Berechtigten" nicht bereits anderweitig veröffentlicht wurden, etwa im Handelsregister.

Das Register soll also für mehr Durchblick sorgen, verborgene Finanzströme erschweren und Geldwäsche bekämpfen helfen. Dennoch ist das Verzeichnis in seiner deutschen Version kein Musterbeispiel an Offenheit. Anders als beispielsweise die britische Regierung entschied die Große Koalition im vergangenen Jahr bei der Umsetzung der EU-Vorgaben, der breiten Öffentlichkeit den Zugang zu dem Register zu verwehren.

Das "Netzwerk Recherche" kritisierte das bereits damals. Journalisten oder auch Vertreter von NGOs können jetzt zwar im Einzelfall Einsicht in das Verzeichnis beantragen. Sie müssen jedoch in jedem Einzelfall ein "berechtigtes Interesse" nachweisen. Das können zum Beispiel Indizien für mögliche Unregelmäßigkeiten sein, die auf den Verdacht von Geldwäsche oder Korruption verweisen.

Ein Register, das wenig registriert

Ich hatte das jetzt in 20 Fällen für eine Recherche über die deutsche Immobilienwirtschaft ausprobiert. Nach ein bisschen Wartezeit bekamen wir in allen Fällen die beantragte Einsicht – so weit die gute Nachricht. Aber es gab auch eine schlechte Nachricht: Meist stand nichts drin im Register. Denn die Firmen, für die wir uns interessierten, hatten keine Namen ihrer Hintermänner eintragen lassen. Und das auch in Fällen, in denen im Handelsregister lediglich undurchsichtige Muttergesellschaften in - zum Beispiel - Zypern als Gesellschafter aufgeführt waren.

Ein Register, das kaum etwas registriert? "Das zeigt, dass das Register seinen Zweck überhaupt nicht erfüllt", beklagt bereits der Grünen-Abgeordnete und Finanzexperte Gerhard Schick.

Das Bundesverwaltungsamt, das für die Aufsicht über das Register zuständig ist, will jetzt in einigen der von uns recherchierten Fällen prüfen, ob sie Bußgeldverfahren eröffnen muss. Aber wäre das Register für jedermann zur Einsicht offen, bräuchte es nicht erst Recherchen von Journalisten. Dann wäre es für dubiose Firmen sehr viel schwerer, falsche Angaben zu machen oder Informationen ganz zurückzuhalten. Denn jeder könnte das überprüfen und es bei Bedarf den Ämtern melden.

Dank der von der Groko gewählten Konstruktion erfährt es das Bundesverwaltungsamt ja unter Umständen gar nicht, wenn Angaben fehlen oder unrichtig sind. Kein Wunder, dass die Behörde bis Mitte März nach eigenen Angaben erst in insgesamt 17 Fällen Verwarnungsgelder wegen Verstößen gegen die neuen Transparenzpflichten verhängt hat.

Der Verband der Familienunternehmer protestierte

Mit der geltenden Geheimniskrämerei hatte das Finanzministerium unter seinem damaligen Chef Wolfgang Schäuble (CDU) im vergangenem Jahr dem Druck von Lobbyisten aus der Wirtschaft nachgegeben. Der Verband der Familienunternehmer etwa wehrte sich dagegen, dass jeder in das Verzeichnis schauen kann. Sie fürchteten allen Ernstes - Zitat - "zu leichten Opfern für Datenmissbrauch, Entführung und Erpressung" zu werden, weil doch auch der Geburts- oder Wohnort in dem Register genannt werden müsse.

Das war offenkundig Panikmache. Schon heute sind Angaben über den Wohnort von Firmeneigentümern vielfach in den Handelsregistern zu finden, ohne dass deswegen Erpresser und Entführer Hochkonjunktur hätten. Und natürlich lassen sich Detailinfos etwa zu einer Wohnadresse auch in einem öffentlichen Register leicht zurückhalten, ohne dass damit dem Offenlegungsgedanken Schaden angetan würde.

Im neuen Transparenzregister sind jetzt jedenfalls Angaben über den konkreten Wohnort und das präzise Geburtsdatum von Eigentümern auch für Journalisten nicht zugänglich. Nur das Land des Wohnorts wird genannt - etwa das zugegebenermaßen nicht sehr ausgedehnte Fürstentum Monaco im Fall des iranisch-stämmigen britischen Investors Farhad Ardavan Moshiri. Ihm gehören nach unserer Recherche 95 Prozent einer Firma, die wiederum ein von der Immobiliengruppe Corestate betriebenes Apartmenthaus für Studenten in Berlin besitzt.

Betreiber des Registers ist der Dumont-Verlag, nicht der Staat 

Die Sache wird dadurch nicht einfacher, dass das Transparenzregister selbst ein paar weitere Probleme mit der Transparenz hat. Denn der Betreiber ist nicht - wie man erwarten könnte - der Staat, sondern eine private Firma: die Bundesanzeiger Verlag GmbH. Anders als ihr Name es nahelegt, gehört sie nicht der Bundesregierung, sondern - seit einer Vollprivatisierung vor zwölf Jahren - dem Kölner Dumont-Verlag, der auch die "Berliner Zeitung" und den "Kölner Stadt-Anzeiger" verlegt. Und anders als sonst bei staatlichen Aufträgen hat das Finanzministerium unter Schäubles Ägide darauf verzichtet, den Auftrag auszuschreiben.

Das sei rechtlich in Ordnung und diene der "Effizienz und Entlastung der Bundesverwaltung", argumentiert das Finanzministeriums.  Man habe die Dumont-Tochter nämlich mit dem Betrieb des Registers - so der Fachausdruck - "beliehen" und habe darum auf einen Bieterwettbewerb verzichten können.

Hat das Finanzministerium das Vergaberecht umgangen?

Ähnlich hat der Staat den nichtstaatlichen TÜV mit der Aufgabe der technischen Kontrolle der deutschen Autos beliehen. Freilich gab es schon in der Vergangenheit Fälle, wo Bundesministerien die Beleihung nutzten, um die lästige Ausschreibungspflicht einfach zu umgehen und den Zuschlag für eine Firma mit gutem Beziehungen zum Ministerium zu reservieren - so zum Beispiel der Vorwurf in dem Skandal um einen Millionenauftrag im Zusammenhang mit einem EU-Programm („Equal“), den der stern vor mehreren Jahren enthüllt hatte.

Anders als damals im Fall der Beratungsagentur Efp gibt es im Fall des Transparenzregisters und des Bundesanzeiger Verlags keine Bilder, auf denen die Geschäftsführerin mit dem zuständigen Ministerialbeamten das Tanzbein schwingt. Aber auch die Dumont-Tochter verfügt offenkundig über belastbare Beziehungen zur Bundesregierung. Ebenfalls ohne Ausschreibung erhielt sie in den vergangenen Jahren vom Bundesjustizministerium bereits die Aufträge, das Bundesgesetzblatt zu produzieren und zu versenden sowie das Portal bundesanzeiger.de zu betreiben. Auch das Justizministerium nutzte dafür - ganz legal - Schlupflöcher im Gesetz.

Das Justizministerium hatte dem  Verlag überdies bereits vor einigen Jahren - ebenfalls ohne Ausschreibung und per Beleihung - die Regie des bundesweiten Unternehmensregisters übertragen.  Alles ganz legal, versichert das Ressort auch hier. Und weil die Dumont-Tochter bereits für das Unternehmensregister zuständig ist, sei die Firma nun in besonderer Weise prädestiniert, auch das Transparenzregister zu betreiben, argumentiert heute das Finanzministerium.  Denn die Firma verfüge so bereits "über die notwendigen Schnittstellen", über die sie die Daten aus den Handelsregistern in den Ländern für das Transparenzregister nutzen könne. Darum habe man gar nicht erst versucht, auch mit anderen möglichen Anbietern zu sprechen.

Der renommierte Mainzer Vergaberechtler Meinrad Dreher findet diese Argumente zweifelhaft. Das Ministerium habe den Wettbewerb ausgehebelt und dem Verlag "eine Monopolstellung" zugeschanzt, die nach dieser Logik "auf ewig" gelte, sagte Dreher dem stern. Denn wenn die Dumont-Tochter schon jetzt als einzige über die nötigen "Schnittstellen" verfüge, werde "das in aller Zukunft so gelten müssen".

Einmal in der Pole Position, immer in der Pole Position. Der Verdacht einer"Umgehung des Vergaberechts", so Professor Dreher, erscheine ihm hier "jedenfalls nicht ausgeschlossen".

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