Tschetschenien-Konflikt Putin signalisiert Kooperationsbereitschaft

Zum Auftakt seines Treffens mit Bundeskanzler Schröder überrascht Wladimir Putin mit seiner Kooperationsbereitschaft, die Vorschläge Deutschlands und der EU zur Lösung des Tschetschenien-Konflikts zu übernehmen.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich erstmals bereit gezeigt, Vorschläge Deutschlands und der EU zur Lösung des Tschetschenien-Konflikts zu übernehmen. «Ich bin gern bereit, mit Ihnen ausführlich darüber zu sprechen», sagte Putin am Montag zum Auftakt eines Treffens mit Bundeskanzler Gerhard Schröder in Hamburg. Die Vorschläge Deutschlands seien in Moskau "sehr genau analysiert" worden. "Wir möchten diese Vorschläge voll und ganz übernehmen." Putin zeigte sich auch bereit, über die Staatskrise in der Ukraine, die Pressefreiheit und innere Reformen mit Schröder zu reden.

Putin ist mit seiner Politik der Zentralisierung und der "gelenkten Demokratie" in westlichen Staaten in die Kritik geraten. Moskau hatte sich bislang auch geweigert, bei der Lösung des Tschetschenien-Konflikts internationale Hilfe anzunehmen. Deutsche Politiker hatten unter anderem einen Stabilitätspakt für den Südkaukasus vorgeschlagen.

Schröder und Putin eröffnen zweitägigen Gipfel

Mit dem ersten Treffen von Schröder und Putin seit der Krise in der Ukraine haben am Montag die deutsch-russischen Regierungskonsultationen begonnen. Auf dem Hamburger Flughafen begrüßten sich die beiden Politiker am späten Nachmittag mit einer Umarmung. Er rechne mit einem "unseren sehr, sehr guten Beziehungen angemessenen Dialog", sagte Schröder.

Bei dem zweitägigen Gipfel soll es um die Verbesserung des Jugendaustauschs und der Wirtschaftsbeziehungen sowie um internationale Fragen gehen. Grüne und Union forderten den Kanzler am Montag auf, die Menschenrechtslage und Demokratiedefizite in Russland klar anzusprechen. Einer der Jukos-Anwälte warf Schröder Komplizenschaft mit Putin bei der Demontage des russischen Ölkonzerns vor. Am Rande des Gipfels kam es zu kleineren Protestaktionen von Ukrainern und der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

Yukos offenbar nicht auf der Tagesordnung

Bei der Ankunft Putins bezeichnete Schröder die Entwicklung der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen als "ungeheuer gut". "Das soll so bleiben und das muss man ausbauen", betonte der Kanzler. Dies gelte nicht nur für den Energiesektor. Als zweiten Schwerpunkt der Konsultationen bezeichnete Schröder den Jugendaustausch. Dieses Thema liege ihm und Putin "sehr am Herzen".

Nach den Vorgesprächen in Hamburg wird der Gipfel, an dem auf beiden Seiten mehrere Minister teilnehmen, am Dienstag auf Schloss Gottorf in Schleswig fortgesetzt werden. Dabei sollen Abkommen zum Jugendaustausch, zur Kooperation im Verkehrsbereich sowie zur Rettung aus Seenot und Bekämpfung von Meeresverschmutzung unterzeichnet werden. Zu den internationalen Themen dürften der Kampf gegen den Terror und die Lage in der Ukraine zählen. Ob der Fall Jukos bei dem Gipfel eine Rolle spielen wird, blieb zunächst offen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Grüne fordern Klartext

Am Dienstagnachmittag wollen Schröder und Putin den Gipfel im privaten Rahmen ausklingen lassen: In Hannover wird der russische Präsident dann bei Schröders Familie zu Gast sein.

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer äußerte in Berlin die Erwartung, dass der Kanzler bei seinen Gesprächen mit Putin kein heikles Thema ausspart. Der russische Präsident habe sich mit seiner Einmischung in die Wahlen in der Ukraine und mit seiner Konstruktion antiwestlicher Verschwörungstheorien "ins Abseits gestellt". Bei der Jukos-Demontage sei "das Vorgehen der russischen Behörden nicht in Übereinstimmung mit den eigenen geltenden Rechtsgrundlagen".

Unionsexperte wirft Schröder "Leisetreterei" vor

Der Menschenrechtsexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hermann Gröhe, forderte Schröder in der „Rheinischen Post“ zum Kurswechsel in der Russlandpolitik auf. Er lastete dem Kanzler "Leisetreterei" gegenüber seinem Duzfreund Putin bei den Themen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit vor.

Der Anwalt des Jukos-Eigentümers Michail Chodorkowski, Robert Amsterdam, sagte in Hamburg, es sei "jenseits von gut und böse", dass Schröder sich nur einen Tag nach der Versteigerung der wichtigsten Jukos-Tochter Juganskneftegas mit Putin treffe. "Der Kanzler unterstützt die Enteignung von Jukos."

Die Konsultationen waren ursprünglich für September geplant. Wegen des Geiseldramas im nordkaukasischen Beslan hatte Putin das Treffen abgesagt.

AP · DPA
DPA, AP