Ukraine-Unterstützung Kehrtwende bei Taurus? Ampel-Fraktionen erhöhen Druck auf Kanzler Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
© Kay Nietfeld / DPA
Die Ampel-Fraktionen wollen sich nach stern-Informationen in einem gemeinsamen Antrag für zusätzliche Waffenlieferungen an die Ukraine aussprechen. Das Reizwort Taurus wird umschifft – aber die Formulierung lässt nicht viel Spielraum.

Die Ampel-Fraktionen erhöhen im Streit um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine den Druck auf Kanzler Olaf Scholz. Im Entwurf eines von den Fraktionsvorsitzenden konsentierten Antrags sprechen sich SPD, Grüne und FDP für "die Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen" aus. Der Antrag liegt dem stern vor und soll in dieser Woche im Bundestag zur Abstimmung gestellt werden.

Der Begriff "Taurus" fällt in dem Papier zwar nicht, aber selbst Befürworter deutlich stärkerer Waffenlieferungen zeigten sich am Montag überrascht über die weitgehende Formulierung. Bislang galt im Taurus-Streit vor allem die SPD-Fraktion als sehr zurückhaltend. Der Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny habe bei manchen offenbar zu einem Umdenken geführt, heißt es in der SPD-Fraktion. "Es braucht jetzt ein Signal." 

Ampel-Antrag fordert Lieferung "von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen"

Konkret wird die Bundesregierung in dem Antrag aufgefordert, die Ukraine so zu unterstützen, dass die territoriale Unversehrtheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen "in vollem Umfang" wiederhergestellt wird. "Dies beinhaltet die Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition, um die Ukraine einerseits in die Lage zu versetzten, völkerrechtskonforme, gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors zu ermöglichen und andererseits die Landstreitkräfte mit der Lieferung von gepanzerten Kampfsystemen und geschützten Fahrzeugen weiter zu stärken; dabei ist bei Abgabe aus den Beständen der Bundeswehr eine sofortige Nachbeschaffung einzuleiten."

Mit dem Antrag wollen die Fraktionsspitzen einen Konflikt beenden, der die Koalition im Hintergrund mittlerweile schwer belastet. Besonders bei Grünen und FDP herrscht wachsender Frust über die anhaltende Blockade des Kanzleramts in Sachen Taurus. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) erwägt dem Vernehmen nach, einen eigenen Taurus-Antrag einzubringen. Dies würde die Ampel allerdings in einer Kernfrage der Außen- und Sicherheitspolitik gespalten dastehen lassen. Das Papier der Fraktionsvorsitzenden soll nun einen Streit auf offener Bühne verhindern.

Schon seit Monaten drängt FDP-Politikerin Strack-Zimmermann darauf, dass der Kanzler nachgibt und Deutschland liefert. "Dieses hochwirksame Waffensystem wird dringend gebraucht, um Russlands Nachschub zu schwächen, aber aus mir unerklärlichen Gründen seit Monaten verweigert", sagte die FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses kürzlich im stern-Interview.

Für Strack-Zimmermann geht es in diesen Wochen, in denen sie ihren Wahlkampf als liberale Spitzenkandidatin für die Europawahl startet, nicht nur um die Ukraine. Es geht um ihre Glaubwürdigkeit. Im Januar nämlich nutzte die Unionsfraktion eine Abstimmung über den Jahresbericht der Wehrbeauftragten, um Strack-Zimmermann eine parlamentarische Falle zu stellen. CDU und CSU brachten einen Antrag ein, der auch Taurus-Lieferungen forderte. Strack-Zimmermann stimmte gegen diesen Oppositionsantrag. Was als Mitglied einer Regierungsfraktion durchaus vertretbar ist, ihr aber viel Kritik in den sozialen Netzwerken einbrachte.

Die FDP-Politikerin gab eine Erklärung ab und versprach: "Spätestens im Februar muss und wird ein Antrag der Ampel-Parteien vorliegen, der die Lieferung von Taurus und die weitere Unterstützung der Ukraine beinhaltet. Ohne wenn und aber." Seitdem hat Strack-Zimmermann weiter Druck gemacht – und ihr Versprechen am Wochenende sogar noch einmal symbolisch untermauert. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz posierte sie mit eine T-Shirt für ein Foto. Darauf zu lesen: "Taurus für die Ukraine". Und: "Zusammen bis zum Sieg."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

An dieser Stelle hat unsere Redaktion Inhalte von Twitter / X integriert.
Aufgrund Ihrer Datenschutz-Einstellungen wurden diese Inhalte nicht geladen, um Ihre Privatsphäre zu schützen.

Doch würde ein möglicher Pro-Taurus-Antrag von Strack-Zimmermann überhaupt mehrheitlich gestützt? In der Kanzlerpartei SPD gibt es nicht viele öffentliche Befürworter einer Lieferung des Marschflugkörpers, eine große Mehrheit der Fraktion steht einem solchen Szenario skeptisch gegenüber. Zu den wenigen Ausnahmen gehört SPD-Verteidigungsexperte Andreas Schwarz. Er spricht sich seit Längerem dafür aus, deutsche Taurus an die Ukraine zu liefern. 

"Die Sicherheitskonferenz sowie die Signale aus der Ukraine zeigen, dass eine Lieferung von Taurus nötig ist", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete zum stern. Solange die Munitionsfrage für die Ukraine nicht ausreichend geklärt sei, bekomme die Diskussion um den Marschflugkörper immer wieder Bedeutung. "Russland hat riesige Bestände und fügt der ukrainischen Armee damit schwere Verluste zu", sagte Schwarz. "Taurus hilft der Ukraine bei den militärischen Zielen, den Nachschub Russlands mit Munition sowie strategische Militäranlagen zu zerstören."