Ulrich Maurer Lafontaines Mann für den Aufbau West

Für Lafontaine, Gysi & Co. läuft es fantastisch. Der Wahlerfolg in Bremen, Spitzenwerte in Umfragen. Jetzt geht es um die Eroberung des Westens. Und dafür ist Ulrich Maurer zuständig, SPD-Abtrünniger und Politik-Profi aus Baden-Württemberg. Für die SPD ist er gefährlich. Brandgefährlich. Ein Porträt.

Ja. Für Oskar Lafontaines Linke läuft es fantastisch. In der jüngsten Forsa-Umfrage kommen sie auf satte 14 Prozent, die SPD auf 24, die Union liegt bei 37. Die Sozialdemokraten müssen ihn fast schon riechen können, den heißen Atem des Saarländers, den heißen Atem jener Partei, die da entstanden ist aus der Masse jener, die unzufrieden sind, die Angst vor dem Absturz haben, und die vor allem eines eint: eine gehörige Wut auf die Sozialdemokraten, die vermeintlichen neoliberalen Verräter.

"Die Partei darf sich nicht besoffen machen"

14 Prozent. Und dennoch: Ulrich Maurer bremst. "Ich will nicht, dass meine Partei sich mit solchen Zahlen besoffen macht", sagt er. Er weiß, dass Umfragen schwanken können, dass sie Momentaufnahmen sind. Plakativ. Wichtig. Aber auch unendlich vergänglich. Wer in Wahlen dauerhaft punkten will, wer bleiben will in der politischen Landschaft, dem können Umfragen nicht reichen als Sicherheit. Der braucht eine Organisation, einen Apparat. Der braucht eine schlagkräftige Partei. Und weil es den Lafontaine-Linken, der vormaligen Ossi-Partei, im Westen genau an diesen Strukturen gebricht, hat Maurer nun eine heilige Mission: Seit dem Gründungsparteitag im Juni ist er der Mann, der für Oskar, Gregor & Co. den Aufbau West organisieren soll. Er ist der Mann, der das Fundament der Partei bereiten soll. Er ist der Mann, der aus dem Stachel im Fleisch der SPD einen Pflock in ihrem Herzen machen soll. Er ist der "Parteibildungsbeauftragte, Schwerpunkt alte Bundesländer."

Brandgefährlich für die SPD

Maurer ist für diesen Job wie geschaffen. Er hat das politische Handwerk bei der SPD erlernt, kennt alle Tricks, Kniffe und Finten. Er war Landes-Chef der Genossen in Baden-Württemberg, lange Jahre Fraktionschef im Stuttgarter Landtag. 2005 lief er über. Seither sitzt er für die Lafontainisten im Bundestag, als einer von zwei Parlamentarischen Geschäftsführern sogar in zentraler Position. Der 58-Jährige ist einer jener vormals abgehalfterten Strippenzieher der Sozialdemokraten, einer jener, die aus dem Nichts heraus eine zweite, große Chance bekommen haben - und einer jener, die eine ordentliche Wut im Bauch haben auf die Erben des verachteten Gerhard Schröder. Zwar fehlt ihm die selbstverständliche, bürgerliche Eleganz Lafontaines. Der gestreifte Anzug sitzt schlecht. Er raucht filterlos. Rothändle, immer eine nur eine halbe. Aber gerade dieser angedeutete Proletarier-Habitus macht den Anwalt bei der Gewerkschafter-Klientel glaubwürdig. Maurer ist einer jener West-Profis, die gefährlich sind für die SPD. Brandgefährlich.

3000 bis 4000 Beitrittsanträge

Und es sind ja nicht nur die 14 Prozent. 3000 bis 4000 Beitrittsanträge seien seit dem Gründungsparteitag im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin eingegangen, berichtet Maurer. Aus dem Westen vier Mal so viel wie aus dem Osten. Jetzt dürfe man die einmal geweckten Hoffnungen nicht enttäuschen. "Wir sind in der Situation eines Unternehmens", analysiert Maurer die Situation seiner Partei im Westen, "von dem man sagt, dass es ein gutes Produkt hat, aber Lieferschwierigkeiten." Dafür zu sorgen, dass die Partei liefern kann, vor Ort und wie versprochen, das ist sein Job. Sichtbar soll sie sein "Die Linke". Deshalb will Maurer zunächst alles daran setzen, nicht nur die Landeverbände schnell zu gründen, sondern auch flächendeckend Kreisverbandsstrukturen im Westen aufzubauen.

Eine Mitgliederpartei wolle er aus dem Boden stampfen, sagt Maurer. Er träumt von einer Partei, die vor Ort verwurzelt ist, die nicht von ihren Funktionären, von den Kadern lebt. Einer Partei, wie sie die CSU einmal war - "Mitten im Leben". Aber auch in die anderen Fugen und Ritzen der Gesellschaft will Maurer hinein. Voller Stolz erzählt der Parteibildungsbeauftragte, dass man an den Universitäten enormen Zulauf habe, dass man über die "Arbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft" auch in den Firmen präsent sein wolle. Es ist eine zweite SPD, die hier entstehen soll, eine vermeintlich bessere SPD. Dass alle anderen Parteien genau die gleiche Verwurzelung anstreben, juckt Maurer wenig. Es läuft fantastisch gerade. Den Schwung will er nutzen.

In Bremen hat "Die Linke" den West-Bann gebrochen

Sein Team, das den Aufbau West organisieren soll, hat Maurer schon zusammengestellt. Rund fünf Leute sind es, die vor allem eines sein sollen: Vor Ort. "Ich will die eigentlich nur mit Koffer sehen", sagt Maurer. Er selbst will im Sommer elf Gründungsparteitage in den Ländern abklappern. Es klingt so, als führe er in Kolonien. Wie viel sein Projekt kosten darf, wie viel aus den Parteikassen in den Westen fließt, das verrät Maurer übrigens nicht. Nur so viel: Es sei eben wie bei jedem x-beliebigen Unternehmen. Wer Gewinne erzielen wolle, der müsse vorher investieren.

Die Zeit drängt. Es muss schnell gehen mit den Investitionen und dem Aufbau. Zwar haben die Lafontainisten mit ihrem Wahlerfolg in Bremen den West-Bann gebrochen. Mit über acht Prozent sind sie im Mai in die Bürgerschaft eingezogen. Aber die nächsten Wahlen stehen unmittelbar bevor: Im Januar 2008 geht es um die Landtage in Hessen und Niedersachsen, im Februar um die Bürgerschaft in Hamburg, im März um die Kommunen in Bayern, im Herbst um den bayerischen Landtag. 2009 dann wird schon der Bundestag gewählt. Für die Lafontainisten steht bei jeder Wahl ein Stück weit die Existenz auf dem Spiel. Sie müssen Erfolg haben, sonst verliert ihr Projekt an Dynamik, an Zulauf. Sonst droht das Scheitern.

Sicher, sagt Maurer, er setze jetzt regionale Schwerpunkte. Aber der Zeitplan, nun ja, der sei schon sehr, sehr eng. Deshalb müsse man jetzt Druck machen. Als Zuckerl verspricht er, dass man mit prominenten Spitzenkandidaten aufwarten werde. Mit Überraschungen. Es gibt neue Überläufer, heißt das übersetzt. In Hessen will "Die Linke" einen ehemaligen DGB-Mann als Spitzenkandidaten präsentieren, immer noch droht die Fahnenflucht des ehemaligen SPD-Sozialpapstes Rudolf Dressler. Die SPD sollen all diese Personalien nervös machen. Noch nervöser.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Vorbild Niederlande

Um sich dem Aufbau-Job voll widmen zu können, stutzt Maurer seine Pflichten in Berlin. Formal behält er den Geschäftsführer-Job auch in Zukunft, beschränkt sich aber vor allem auf die Öffentlichkeitsarbeit. In der Partei ist Maurer als Mitglied des geschäftsführenden Vorstands verankert. Er begreift sich als Teil eines "strategischen Dreiecks": Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit, Fraktions-Vize Bodo Ramelow organisiert den Bundestagswahlkampf und sorgt für die Abstimmung zwischen Berliner Zentrale und den Landesorganisationen, und er, Maurer, besorgt eben die Eroberung des Westens.

Das strahlende Vorbild ist für Maurer die "Sozialistische Partei" in den Niederlanden. Die dortige sozialdemokratische "Partei der Arbeit" sei in den neunziger Jahren eine der ersten in Europa gewesen, die sich dem Neoliberalismus verschrieben habe, erklärt er. Als Alternative habe sich die "Sozialistische Partei" neu formiert, so wie die "Linke" sich als Alternative zur SPD neu formiere. Die holländischen Genossen hätten eine echte Mitgliederpartei hochgezogen, schwärmt er. Bei den letzten Wahlen hätten sie 16,6 Prozent erzielt, die Sozialdemokraten lediglich 21,2. "Das ist für uns der Maßstab."