Man muss sich wohl endgültig daran gewöhnen: Diese Große Koalition bringt bis zur Bundestagswahl nichts Vernünftiges mehr zustande. Nichts mehr, was dringend notwendig wäre: zum Beispiel ein Umweltgesetzbuch. Ein Buch, das endlich einmal das völlig zersplitterte deutsche Umweltrecht zusammenfassend vereinfacht. Das Ernst macht mit dem Versprechen der Kanzlerin Merkel, das sie zu diesem Thema im Koalitionsvertrag gegeben hat: Das Umweltgesetzbuch muss sein, das machen wir.
Möglich wäre es gewesen. Die Föderalismusreform I hat den Weg zu diesem Stück Bürokratieabbau im Prinzip verfassungsrechtlich frei gemacht. Nur will ihn jetzt die CSU plötzlich nicht mehr gehen. Und Merkel kneift einmal mehr, lässt das Gegenteil von dem geschehen, was sie versprochen hat. Die Kompetenz ihrer Regierung, Probleme zu lösen, liegt inzwischen bei Null. Hauptverantwortlich in diesem speziellen Fall ist die Tatsache, dass sie sich gegen ihre Schwesterpartei CSU und ihren neuen Vorsitzenden Seehofer nicht mehr durchsetzen kann.
Ein Chaos aus 10.000 Gesetzen
Weshalb brauchen wir dringend ein Umweltgesetzbuch? Weil dann das chaotische Nebeneinander verschiedener Genehmigungsverfahren, vielfach noch aus den fünfziger Jahren, bei verschiedenen Behörden aufhören würde. Ein Chaos würde beendet, das aus 10.000 - in Worten: zehntausend - Gesetzen und Verordnungen besteht. Das macht vor allem mittelständische Unternehmer bürokratisch fertig. Es müsste endlich ein bundeseinheitliches Wasser- und Naturschutzrecht geben, welches das Durcheinander in 16 Bundesländern ersetzt. Bürokratische Entlastung ist immer auch ein Impuls für Wirtschaft und Wachstum. Das benötigt die Republik derzeit mehr als alles andere.
Gescheitert ist das Umweltgesetzbuch eindeutig an der CSU. Die hat Ernst gemacht mit ihrer Ankündigung, dass sie vor der Bundestagswahl nichts mehr akzeptieren werde, was ihre Stammwähler verunsichern könnte. Das sind in diesem Fall die bäuerlichen Stammwähler. Vor der Agrarlobby ist sie auf die Knie gefallen. Die befürchten - völlig zu Unrecht - zusätzliche Einschränkungen beim Bau von Tierställen oder Fischzuchtanlagen. Dabei hätte die CSU durchaus die Möglichkeit gehabt, für Bayern trotz eines bundeseinheitlichen Umweltgesetzbuchs Sonderregelungen zu erlassen. Doch dann hätte Markus Söder begründen müssen, weshalb er - zum Beispiel - BMW auf einem Gelände bauen lassen will, auf dem die Mopsfledermaus unter Naturschutz steht. Das macht einen Umweltminister nicht populär. Unter Umständen hätte er Mut zum Naturschutz nicht mit Worten, sondern mit Taten beweisen müssen.
CSU macht sich hoch verdächtig
Hoch verdächtig macht sich die CSU auch an anderer Stelle. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hatte schon seit einiger Zeit getönt, ein Scheitern des Umweltgesetzbuchs sei keine Katastrophe. Dessen Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf ist vor kurzem vom Posten des CSU-Umweltministers auf den BDI-Posten nach oben gefallen. Dabei scheint er sein früher durchaus gut entwickeltes Umweltbewusstsein verloren zu haben. Weshalb ist klar: Die Großindustrie hat kein Problem mit dem Umweltschutz, denn ihre spezialisierten Stabsabteilungen finden sich leichter durch das bürokratisch-juristische Chaos, das Unternehmer überwinden müssen. Der Verdacht liegt nahe, dass der CSU-Mann Schnappauf Söder darin bestärkt hat, den überfälligen Bürokratieabbau zu verhindern.
Unterm Strich steht die Sabotage eines für die ganze Bundesrepublik wichtigen Reformprojekts durch die CSU. Es ist doch alles gesagt, wenn die CDU-Umweltminister in den Ländern die Projektvorschläge von Umweltminister Gabriel durchaus für sinnvoll erachtet haben, die CSU-Profilneurotiker aber nicht.