Und jetzt ... Django Asül Deutschland bastelt sich ein Problemchen

Eine satirische Abrechung von Django Asül
Die deutsche National-Elf ist in Topform. Schock! Worüber nun meckern? Keine Sorge, der DIW hat einen Aufreger parat: Der Mittelstand schwindet!

Die Welt steckt voller Probleme. Und nichts dokumentiert diesen Umstand mehr als die Fußballweltmeisterschaft. Beziehungsweise das Elend, das so ein Ereignis geradezu magisch heraufbeschwört. Ein englischer Torwart, der vergisst, dass er ein Torwart ist. Ein serbischer Schwabe, der vergisst, dass er kein Torwart ist. Ein Team aus Kamerun, das vergisst, dass die WM begonnen hat. Und eine deutsche Mannschaft, die das zelebriert, was man eher von den Brasilianern erwartet hätte: leichtfüßigen und ballsicheren Offensivfußball. Eine Begeisterungswelle durchzieht das Land. Alle Probleme sind dank Özil und Müller wie weg gewischt. Und genau da beginnen die eigentlichen deutschen Probleme: Woher auf die Schnelle ein Problem herkriegen?

Ganz einfach: Man baut sich eins. Auf die Gefahr hin, dass es ein bisschen konstruiert wirkt. Deutschland wurde zum Glück schnell fündig. In der Mitte. Also dort, wo statistisch gesehen das meiste Deutschland stattfindet. In der Mitte stimmt es nicht mehr. Sie wird angeblich weniger. Das einigende Band des Durchschnitts ist quasi durchschnitten. Und ausnahmsweise sind nicht die Spekulanten schuld, sondern die Reichen. Nur weil die immer reicher werden, bleibt der Mitte weniger. Gespannt wartet die Öffentlichkeit auf Beweisvideos der Sozialverbände, auf denen nachts vermummte Reiche in Reihenhaussiedlungen einbrechen und mittige Lebensversicherungen plündern.

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Aber auch in dieser Diskussion gilt: Frei nach Churchill sollte man nur den Statistiken glauben, die von eigener Hand gefälscht wurden. Investigative Recherchen haben nämlich ergeben: Die meisten Reichen schlafen nachts. Und der Rest weiß nicht mal, wo es Reihenhaussiedlungen gibt. Um die Untergangsphantasien bezüglich der Mitte ist es in Wahrheit nämlich schlecht bestellt. Seit 2006 nimmt die Mitte sogar zu. Deutschland wird tatsächlich mittiger. Dass es dennoch mehr Armut im Lande gibt, ist nicht die Schuld der Reichen. Im Gegenteil, repräsentative Umfragen haben ergeben, dass gerade die Reichen eine gewisse Aversion gegen Armut haben. Für sie ist Reichsein eindeutig und untrennbar mit Wohlstand verbunden. Und dadurch, dass Wohlstand in der Regel erarbeitet werden muss unter erheblichem zeitlichen Aufwand, bleibt im Normalfall den Reichen auch gar keine Zeit zum Armsein.

Die Armut wird von ganz anderer Seite gefüttert: Von den Migranten und den Alleinerziehenden. Das behaupten jedenfalls Forscher vom DIW. Und schieben zwischen den Zeilen natürlich auch die These hinterher, dass in Deutschland niemand gezwungen wird, Migrant oder Alleinerziehende zu sein. Wer nicht zu diesen Risikogruppen gehört, braucht folglich keine Abstiegsängste zu haben. Es sei denn, er spielt bei Hannover 96 oder beim 1. FC Köln Fußball.

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Dennoch baut sich die Sorge vor dem Abstieg in Teilen der Mittelschicht auf wie ein Phantom. Ein Indiz dafür ist der Boom an Privatschulen. Wer seine Kinder auf eine herkömmliche Schule schickt, wird schon schräg angeschaut, weil das als der sichere Weg nach unten gilt. Imagemäßig macht mittlerweile ein gerade noch geschaffter Hauptschulabschluss an einer Privatschule wesentlich mehr her als ein Einserabitur an einem staatlichen Gymnasium. Wer wie Lena sein Abitur an einer Gesamtschule erwirbt, gilt als getarnter Analphabet.

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Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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Wissenschaftler sind der Ansicht, dass Abstiegsängste zwar psychologisch nachvollziehbar, praktisch aber nicht nötig sind. Quasi Luxusängste. Wer sich diesen Luxus nicht leisten will, muss den Marsch nach oben antreten. Je größer der Abstand nach unten, desto besser fühlt sich der Mensch der Mitte. Dieser Zusammenhang ist auch der Bundesregierung bekannt. Damit möglichst viele Menschen zur Oberschicht gehören können, wurde der Einstieg in den Spitzensteuersatz auf 52.000 Euro gesenkt. Das ist lediglich das Eineinhalbfache des Durchschnittslohns. Also ein faires Angebot von Frau Merkel.

Zum Vergleich: Früher musste mindestens das Zehnfache des Durchschnittslohns verdient werden, um die Spitze der Steuerprogression zu erklimmen. Früher war es also leichter, viel Geld zu verdienen. Aber reich wurde man dadurch nicht. Heute aber wird die Mitte vom Staat geschröpft, damit sie reich sein kann. Wenn jetzt zum Schutz der Mitte der Spitzensteuersatz noch mal angehoben werden soll, bleibt der Mitte noch weniger. Das ist wie wenn eine Fußballmannschaft einen neuen Stürmer bekommt, der jedoch nur Eigentore schießen darf.

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Es droht trotz allem kein Klassenkampf. Dass der Reichtum im Lande durchaus fair verteilt ist, zeigt der Body-Mass-Index. Der besagt, dass das Körpergewicht in den unteren Schichten höher ist als in der Oberschicht. Das ist ein eindeutiger Auftrag an die Oberschicht: Mehr essen, weniger sparen.

Oder aber die deutsche Nationalmannschaft vergurkt ihr nächstes Spiel in Südafrika. Dann hätte Deutschland wieder den Kopf frei für echte Probleme.