Die schwarz-gelbe Regierungskoalition in Berlin kommt nicht zur Ruhe. Als einer von mehreren führenden Landespolitikern kritisierte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki in einem Gastbeitrag für das "Hamburger Abendblatt" (Mittwochausgabe) die ersten 100 Tage der schwarz-gelben Bundesregierung. Die Bilanz sei negativ.
Die Außenwirkung der Koalition sei "stark verbesserungswürdig", schrieb Kubicki in der Zeitung. Vereinbarte Projekte wie die Neuordnung des Gesundheitssystems würden "zerredet", kritisierte der FDP-Politiker. "Es wird allmählich anstrengend, insbesondere die Partner aus Bayern immer wieder an bestehende Vereinbarungen und gemeinsame Prinzipien zu erinnern. Teilen der Union fehle offenbar bislang das notwendige Vertrauen in diese Koalition.
In der "Bild"-Zeitung (Mittwochausgabe) warnte Kubicki die Union vor weiteren Angriffen. "Die Union im Bund hat sich für einen Stellungskrieg innerhalb der Koalition gerüstet." Weiter mahnte Kubicki, die "Freunde von CDU und CSU dürfen den Bogen nicht überspannen. Die FDP wird die Attacken nicht länger einfach so hinnehmen." Um wieder in die Offensive zu kommen, werde sich die FDP in die Streitdebatten künftig "deutlich dynamischer und energischer einschalten".
Der hessische FDP-Landeschef und Justizminister Jörg-Uwe Hahn forderte CDU und CSU in derselben Zeitung auf, es müsse "Schluss sein mit den Störfeuern". Vor allem die CSU solle "endlich konstruktiv" mitarbeiten. "Die Partei kommt mir vor, als wäre sie in den Wechseljahren. Statt die FDP zu attackieren, sollte die Union lieber zufrieden sein, wie zahm und freundlich die Liberalen etwa mit Frau Aigner umgehen", mahnte Hahn. FDP-Generalsekretär Christian Lindner warf der CSU vor, sie nutze die Probleme des Gesundheitssystems für Machtspiele.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) hielt Union und FDP im "Hamburger Abendblatt" vor, "das Prinzip Solidarität aus der Politik entfernen zu wollen". Am deutlichsten zeige sich die Gefahr der Entsolidarisierung in der Gesundheitspolitik. "Die Kopfpauschale, die FDP-Minister Rösler auf Biegen und Brechen durchzusetzen entschlossen ist, schwächt die Schwachen und stärkt die Starken", schrieb Sellering. "So entsteht ein Gesundheitswesen, das nicht solidarisch ist - und auch nicht solide."
Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) warf der Bundesregierung "eklatante Fehlentscheidungen" vor. Die beschlossenen Steuersenkungen seien "ein Skandal", schrieb Böhrnsen. "Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat den Anti-Schulden-Pakt aufgekündigt." Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse werde ad absurdum geführt. Die Hauptlast hätten Länder und Kommunen zu tragen.
Niedersachsens CDU-Vorsitzender David McAllister nannte die Berliner Politik "gut". Allerdings sei die Kommunikation "optimierbar". "Dauerhafte öffentliche Streitereien sind schädlich." Hamburgs CDU-Chef Michael Freytag, der mit den Grünen regiert, lobte die schwarz-gelbe Wirtschaftspolitik, die in der Krise "Arbeitsplätze nachhaltig gesichert" habe. Zugleich mahnte Freytag die Koalition im "Hamburger Abendblatt", den Haushalt "dauerhaft zu konsolidieren". Die Länder würden "darauf achten, dass sich vom Bund beschlossene Gesetze nicht überproportional zulasten der Länderhaushalte auswirken".