Mit einem Kassensturz beginnen SPD und Grüne heute in Berlin ihre Verhandlungen über einen neuen Koalitionsvertrag. Dabei will Finanzminister Hans Eichel ein Sparpaket und die Streichung von Steuervergünstigungen vorschlagen, um ein Haushaltsloch von rund zehn Milliarden Euro im kommenden Jahr zu schließen. Auch die Diskussion über mögliche Steuererhöhungen wird voraussichtlich eine Rolle spielen.
Eichel hatte das Sparpaket in der »Süddeutschen Zeitung« angekündigt und zugleich seine Wachstumsprognose für den Zeitraum bis 2006 von 2,5 auf 1,5 Prozent pro Jahr zurückgenommen. Ob ein Nachtragshaushalt 2002 nötig sei, »müssen wir uns später noch einmal genau anschauen«, sagte der Minister. Im Moment liefen die Steuereinnahmen wieder besser. Verärgert zeigte sich Eichel über die Steuerdiskussion: »Ich führe keine Debatte über Steuererhöhungen und bin dagegen, an Steuersätzen zu drehen.«
Auch Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) sprach sich gegen Steuererhöhungen aus. »Die Koalition sollte sich darauf konzentrieren, was in den Wahlprogrammen steht. Von Steuererhöhungen war jedenfalls nicht die Rede«, sagte er der in Essen erscheinenden »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung« (Montag). »Wir sollten unseren schönen Wahlsieg nicht durch solche Diskussionsbeiträge kaputtreden und den Bürger nicht ohne Not verärgern.«
Der DGB lehnt Eichels Sparkurs ab
Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) verteidigte eine mögliche Fortschreibung der Ökosteuer. »Die Ökosteuer ist grundsätzlich ein kluges Instrument«, sagte sie der dpa. Andere Vorschläge, wie man die Lohnnebenkosten senken und gleichzeitig den Klimaschutz verbessern könnte, müssten sich an der Lenkungswirkung der Ökosteuer messen lassen.
DGB-Chef Michael Sommer lehnte den Sparkurs Eichels ab und forderte ein zusätzliches Investitionsprogramm, um die Beschäftigung anzuregen. »Man kann in Zeiten schlechter Konjunktur einen Staatshaushalt nicht sanieren«, sagte er der »Berliner Zeitung«. Zur Not müsse Eichel eine höhere Neuverschuldung in Kauf nehmen. Die Schmerzgrenze der Arbeitnehmer sei erreicht. Es dürfe keine höheren Zuzahlungen auf Medikamente und keine Senkung der Entfernungspauschale oder andere Verschlechterungen geben.
SPD und Grüne wollen ihre Koalitionsverhandlungen möglichst bis in drei Wochen abschließen. Bei weiteren Verhandlungsrunden soll es um die Ökosteuer, die Umsetzung des Hartz-Konzeptes zur besseren Arbeitsvermittlung sowie um die doppelte Staatsbürgerschaft und die von den Grünen bevorzugten Berufsarmee gehen.