Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe wird im Prozess gegen sie nicht aussagen. Das erklärte Zschäpes Verteidigerin Anja Sturm am Montagabend in der ARD-Sendung "Hart aber fair". "Frau Zschäpe hat sich entsprechend in enger Abstimmung mit uns entschieden, sich nicht zu den Vorwürfen zu äußern", sagte Sturm. Sie äußerte zugleich Verständnis für Angehörige der Opfer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), die sich eine Aussage Zschäpes erhofften. "Natürlich verstehen wir das als Menschen", sagte Sturm. Jeder Strafprozess habe aber das Problem, dass er "nur ein Stück weit aufklären" könne und die Opfer nicht immer alles erfahren könnten, was sie gerne wissen wollten.
Sturm, eine von drei Anwälten Zschäpes, begrüßte die Verschiebung des Prozessauftakts vom 17. April auf den 6. Mai. Die Verteidigung hätte andernfalls einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens in Erwägung gezogen, sagte sie. Der Strafsenat wird ein komplett neues Akkreditierungsverfahren für Journalisten organisieren. Damit reagierte das Gericht auf den Spruch des Bundesverfassungsgerichts zur Platzvergabe an Journalisten. Die Karlsruher Richter hatten am Freitag entschieden, dass mindestens drei Plätze an ausländische Medien zu vergeben seien.
Verschiebung sei "Schlag ins Gesicht"
Die Tochter des Dortmunder NSU-Opfers Mehmet Kubasik hat die Verschiebung des Prozesses in München als "Schlag ins Gesicht" bezeichnet. Den "Ruhr Nachrichten" sagte Gamze Kubasik: "Ich habe mich intensiv auf den Prozess vorbereitet. Die innere Anspannung ist dabei immer größer geworden." Für ihre Familie sei die Belastungsgrenze überschritten. "Hätte das Oberlandesgericht das Verfahren von Anfang an richtig betrieben, wäre die Frage unnötig", kritisierte Kubasik die Vergabe der Presseplätze durch das OLG München. "Die Interessen der Hinterbliebenen werden durch das Gericht leider immer noch nicht ernst genug genommen."
Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer des NSU-Terrors hat vom Oberlandesgericht (OLG) München wegen der Prozessverschiebung erneut eine Entschädigung gefordert. "Ich werde selbstverständlich ans Oberlandesgericht herantreten und sagen: Wer das verursacht hat, der muss auch für die Lasten aufkommen", sagte Barbara John im Deutschlandradio Kultur. Die Verschiebung des Prozessbeginns sei eine seelische und organisatorische Zumutung für die Opfer. "Sie haben inzwischen ihr Leben um diesen Prozess herum organisiert", sagte sie. "Sie fühlen sich wieder nicht ernst genommen."
Auch von Opfer-Anwalt Mehmet Daimagüler kam scharfe Kritik. "Ich hätte gedacht, dass man eine Lösung finden kann, die nicht dazu führt, dass man das erneut verschieben muss", sagte er im Inforadio des Hörfunksenders RBB. Seine Mandanten hätten teilweise jahrelang auf den Prozessbeginn gewartet und seien jetzt enttäuscht. Er bezweifelte, dass die Wartezeit bis zum Prozessbeginn etwas nütze. "Wer sagt uns denn, dass in drei Wochen eine Lösung gefunden wird, die trägt?" Man müsse nicht so tun, als habe es in Deutschland noch nie einen großen Prozess gegeben.
Eva Högl, SPD-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss, begrüßte die Verschiebung hingegen. Zwar habe sich das OLG München bisher "alles andere als mit Ruhm bekleckert", sagte sie im Deutschlandfunk. Sie hoffe aber, dass das OLG jetzt sensibler reagiere und sich der Bedeutung des Prozesses bewusst sei.
Warnung vor zu hohen Erwartungen
Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy, warnt vor zu großen Erwartungen an den Prozess gegen Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten.. "Es wäre falsch, von dem Verfahren eine Art von Katharsis zu erhoffen", sagte er. "Man sollte die Erwartungen an den Prozess nicht überfrachten." Die Münchner Richter hätten die Aufgabe, zu prüfen, ob die Schuld der Angeklagten zu belegen sei. Erklärungen für das beispiellose Versagen der Sicherheitsbehörden werde das Verfahren nicht liefern können. Das sei Sache der Untersuchungsausschüsse.

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Der Untersuchungsausschuss steuert auf den Abschluss seiner Arbeit zu. Für den 6. Juni ist die letzte öffentliche Sitzung des Gremiums geplant. Anfang September soll der Bundestag in einer Sondersitzung über den Abschlussbericht des Ausschusses beraten.
Edathy betonte, es sei von Anfang an klar gewesen, dass im Fall des "Nationalsozialistischen Untergrunds" massive Fehler passiert seien. "Das Ausmaß des Versagens hat mich allerdings überrascht", sagte er mit Blick auf die Aufarbeitung der vergangenen Monate. Anders als bei anderen Untersuchungsausschüssen seien die offenen Fragen nicht weniger, sondern mehr geworden. "Wir werden vielleicht nicht jeden Aspekt bis ins letzte Detail klären können", sagte er. Für die Zukunft seien auch weitere Fälle von Rechtsterrorismus in Deutschland nicht auszuschließen. Der Ausschuss werde zum Abschluss aber Vorschläge für die künftige Arbeit der Sicherheitsbehörden präsentieren, damit sich eine Verbrechensserie wie in diesem Fall nicht wiederhole.