Visa-Ausschuss Schily kann am längsten

Der Ausschuss-Vorsitzende hatte angekündigt, den als aufbrausend verschrieenen Innenminister aufs Blut zu reizen. Otto Schily reagierte mit einer simplen Strategie: Er redete und redete und redete – fünf Stunden lang. Weshalb eigentlich?

Otto Schily ist nicht nur Innenminister. Mit seinen 72 Jahren ist er auch der älteste Abgeordnete des Bundestags - und somit Alterspräsident des deutschen Parlaments. Aber damit nicht genug. Schily, dem nachgesagt wird, dass er sich eines gesunden Selbstvertrauens erfreut, ist nicht nur der Älteste: Er kann auch am längsten reden. So geschehen am Freitag bei der Anhörung Schilys im Visa-Untersuchungs-Ausschuss des Bundestags. Fünf Stunden dauerte allein die Eröffnungsrede des Ministers. Keiner durfte ihn dabei einschränken. Das ist das gute Recht eines jeden Zeugen. Aber warum redete Schily eigentlich so lange?

Das "Gebabbele" des Ministers

Bei näherer Betrachtung offenbart sich der Hintergrund dieser in die länge gezogenen Redezeit. Zum einen, ganz banal, wollte Schily sich von niemandem, und schon gar nicht vom polternden Ausschuss-Vorsitzenden Hans-Peter Uhl von der CSU, seine Redezeit vorschreiben lassen. Ein Uhl, so die Botschaft, kann einem Schily nicht am Zeug flicken. Und deshalb redete er sie einfach klein, die Gegner, die Kritiker - in exakt fünf Stunden und zehn Minuten. Dass der CDU-Abgeordnete Siegfried Kauder sich dazu hinreißen ließ, dem Minister vorzuwerfen, er "babbele", kam Schily dabei nur gelegen. Nicht er, der sich im Ausschuss gegen Vorwürfe wehren muss, so der Tenor, verhalte sich sittenwidrig, sondern die anderen seien die Rabauken. "Ich habe ja schon gehört, dass sie in Baden-Württemberg alles können, nur kein Hochdeutsch", wies der Minister Kauder zurecht. Allein deshalb sehe er die verbale Entgleisung nach.

Kleinteiliger Beweis der bürokratischen Hoheit

Allerdings geht es bei Schilys langer Rede um mehr als nur um Eitelkeiten. Schily, der sich offenbar präzise auf seine Aussage vor dem Ausschuss vorbereitet hat, will demonstrieren, dass er sein Haus im Griff gehabt hat - und dass nicht er, Schily, es ist, der für die Fehler bei der Vergabe von Visa die Verantwortung trägt. Geschludert worden ist nach Schilys Auffassung im Auswärtigen Amt, das dem Schily-Freund und Grünen-Politiker Joschka Fischer untersteht. Der SPD-Mann Schily wollte Fischer, der vor dem Visa-Ausschuss einräumen musste, dass er seinen Beamten-Apparat nicht ausreichend im Griff hatte, pfleglich behandeln. Er wollte ihm nicht schaden. Gleichzeitig wollte er durch seine kleinteiligen Ausführungen belegen, dass er sein Ministerium besser organisiert habe. So ein Beweis der bürokratischen Hoheit ist jedoch kleinteilig und aktenschwer. Schily wollte sich auch nicht, wie Fischer im April, immer wieder auf "Gedächtnislücken" berufen müssen.

"Ich habe bis Samstagmorgen Zeit"

< Als letzten Punkte musste Schily vor dem Ausschuss rechtfertigen, weshalb er sich mit seinen Warnungen vor einem Visa-Missbrauch gegenüber dem Auswärtigen Amt nicht durchsetzen konnte. Im Jahr 2000 hatten er und seine Beamten auf schwerwiegende Gefahren des Visa-Missbrauchs hinwiesen, die durch einen neuen Erlass des Auswärtigen Amtes, den "Volmer-Erlass", entstanden seien. Der Streit zwischen Schily und Fischer wurde nicht ins Kabinett gebracht, sondern Schily musste sich mit der Aussage zufrieden gebe, die neuen Regeln entsprächen den gesetzlichen Vorgaben. Auch hier erklärte sich Schily am Freitag en detail. Vor der Sitzung des Visa-Ausschusses am Freitag hatten die Vertreter von Regierung und Opposition in dem 13-köpfigen Gremium die Hoffnung geäußert, die Sitzung am Freitag könne binnen acht Stunden beendet werden. Eine Marathon-Sitzung, wie bei der Vernehmung Fischers, sei wohl nicht mehr notwendig, hieß es. Am Freitag schien es nicht so, als ob diese Vorgaben eingehalten werden könnten. Schily sprach länger als fünf Stunden. Danach gab es erst einmal 45 Minuten Pause. Die Obmänner von CDU und FDP warfen Schily daraufhin vor, er habe absichtlich so lange geredet, damit die großen Tageszeitungen darüber nicht mehr rechtzeitig würden berichten können. Schily blieb auch ob dieser Vorwürfe gelassen. Schon am Vormittag hatte er angekündigt: "Zur Not habe ich bis Samstagmorgen Zeit."