Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat die Bundesregierung davor gewarnt, sich dem geplanten NPD-Verbotsantrag der Länder anzuschließen. Seit dem Scheitern des ersten Verbotsverfahrens 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der Präsenz etlicher V-Leute des Verfassungsschutzes in der Führungsebene der NPD seien die Risiken "nicht unbedingt geringer" geworden, sagte die Ministerin der Zeitung "Die Welt".
Die Bundesregierung sei "gut beraten, sich eine eigene Meinung zu bilden". Sie müsse sich einem Verbotsantrag des Bundesrats nicht zwangsläufig anschließen. Im Übrigen gebe es auch im Bundestag "große Zweifel". Das V-Leute-Problem sei "noch nicht sicher ausgeräumt", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Es seien im Lauf des Jahres wohl V-Leute abgeschaltet worden. Ob aber das gesamte Material von Informanten des Verfassungsschutzes unbeeinflusst sei, wollten nur wenige Länder garantieren. Die Ministerin schließt außerdem nicht aus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Verbot der NPD später wieder aufhebt.
22.000 Deutsche in rechtsextremen Gruppen aktiv
Selbst ein erfolgreiches NPD-Verfahren wäre Leutheusser-Schnarrenberger zufolge kein entscheidender Schlag gegen den Rechtsextremismus. Die rund 6000 NPD-Mitglieder könnten leicht in anderen rechtsextremistischen Organisationen unterkommen oder neue Gruppierungen ins Leben rufen, sagte sie. Laut Verfassungsschutzbericht seien über 22.000 Bürger in rechtsextremen Gruppierungen organisiert.
In Nordrhein-Westfalen gründe sich bereits eine Formation, die sich "Die Rechte" nenne. Die Ministerin fügte hinzu: "Die Terrorzelle NSU hat zehn Jahre lang ungehindert gemordet. Kommen wir da weiter mit einem Verbot? Das ist doch kein Erfolg gegen den Rechtsextremismus! Eine Organisationshülle fällt weg - nicht mehr und nicht weniger."
Die Innenminister der Länder beschlossen am Mittwoch in Rostock einmütig, einen neuen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorzubereiten. Die Bundesregierung verwies erneut auf die Risiken eines solchen Schritts und ließ offen, ob sie sich der Klage anschließt. Beim Beschluss der Landesminister handelt es sich lediglich um eine Empfehlung an die Ministerpräsidenten. Diese dürften bei einem Treffen am Donnerstag in Berlin entscheiden, ob sie der Empfehlung ihrer Innenminister folgen. Der Bundesrat könnte dann bei seinen kommenden Sitzungen am 14. Dezember oder am 1. Februar 2013 einen neuen Verbotsantrag in Karlsruhe beschließen.