Vorzeitig getwitterte Wahlprognosen Plaudertaschen drohen hohe Geldstrafen

  • von Steffi Hentschke
Ein Nachwuchsjournalist aus Bayern, eine Regionalzeitung und ein FDP-Politiker haben vor Schließung der Wahllokale Prognosen veröffentlicht. Das ist strafbar – und kostet bis zu 50.000 Euro.

Eigentlich läuft es so: Die ersten Vorhersagen, wie die Bundestagswahl ausgehen könnte, gibt es ab 18 Uhr. Einige Journalisten und Politiker wissen allerdings schon zwei Stunden früher über die ersten Ergebnisse Bescheid. Moritz S., Volontär bei Antenne Bayern, gehörte offenbar zu diesem erlesenen Kreis, konnte das Geheimnis aber nicht für sich behalten. 16.21 Uhr war auf seinem Twitter-Account zu lesen: "Habe von einem Umfrage-Instituts-Mitarbeiter erste Zahlen bekommen", inklusive der exakten Werte. Dumm gelaufen: Das ist strafbar und kann bis zu 50.000 Euro Bußgeld kosten.

Allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim – im deutschen Grundgesetz ist klar geregelt, wie Wahlen ablaufen müssen. Dazu gehört, dass keine Prognosen vor Schließung der Wahllokale veröffentlicht werden dürfen, denn das würde den Grundsatz der Freiheit einschränken. Was abstrakt klingt, kann konkrete und vor allem schwerwiegende Folgen haben. Parteien und Direktkandidaten, die später mit dem amtlichen Ergebnis nicht zufrieden sind, könnten die Wahl insgesamt anfechten. Dass sich auch alle an die Regeln halten, wird vom Bundeswahlleiter kontrolliert. Erst vergangene Woche hatte der oberste Wahlwächter gedroht, Twitter-Plaudertaschen mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro zu bestrafen.

Heikle Beiträge waren schnell gelöscht

Für den Nachwuchsjournalisten S. wird es jetzt möglicherweise also nicht nur teuer – sein unbedachter Tweet könnte noch ein politisches Erdbeben nach sich ziehen. Theoretisch zumindest. Kein Wunder also, dass der junge Mann schnell behauptete, nicht der Urheber zu sein und seinen Post löschte. Auf Nachfrage eines Journalisten der "Bild"-Zeitung behauptete er, sein Account sei gehackt worden und beharrte gegenüber anderen skeptischen Usern auf diesen Standpunkt. Kurz darauf allerdings waren alle damit zusammenhängenden Tweets gelöscht.

Doch Twitter vergisst nicht. Statt der Orginal-Postings werden jetzt Screenshots verbreitet. Darunter auch ein Foto von der Webseite des "Nordkuriers". 17.03 Uhr meldete die Regionalzeitung aus Mecklenburg-Vorpommern, die FDP fliege nach "inoffiziellen Informationen" aus dem Bundestag – und versuchte so, sich um den Maulkorb des Bundeswahlleiters zu mogeln. Kurze Zeit später wurde der Beitrag entfernt. Und auch ein Politiker hatte offenbar mehr als nur eine Vorahnung: „Als FDP-Politiker muss man lernen, manchmal demütig zu sein – heute ist wohl so ein Tag :-(“, twitterte der Liberale 20 Minuten vor Schließlung der Wahllokale.

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Allzu schnell wird der Bundeswahlleiter nicht über mögliche Zahlungsaufforderungen entscheiden, zumindest nicht bei Einzelpersonen. Die Redaktion des "Nordkuriers" sei dagegen bereits am Wahlabend zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert worden, teilte ein Sprecher mit. Der Wahlwächter behält sich demnach rechtliche Schritte vor.