Stichwort Bundessicherheitsrat Kanzler Olaf Scholz, oder was? Wer die Entscheidung über Waffenexporte trifft

Waffenexporte Panzerfaust Bundeswehr
Exportgut Leopard-2-Panzer. Verkaufsgenehmigung erfolgt im Bundessicherheitsrat. 
© Krauss-Maffei Wegman / DPA
Der Druck auf Regierungschef Olaf Scholz wegen der Genehmigung von Waffenexporten bleibt hoch. Dabei entscheidet der Kanzler nicht allein über die Ausfuhr von Rüstungsgütern – zumindest nicht formal. 

Zaudert Olaf Scholz oder ist der Regierungschef nur ausgesprochen standhaft? In der Frage um Waffenlieferungen an die Ukraine jedenfalls rückt der SPD-Mann kein My von der Position ab, schweres Gerät an den von Russland überfallenen Staat zu liefern. Wegen seiner Haltung bekommt der Kanzler mächtig Gegenwind, selbst aus den eigenen Reihen. Dabei werde er zu Unrecht derartig angefeindet, findet zumindest Ex-SPD-Chef und Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel: "Die Entscheidungen über die Frage, wer liefert welche Waffen, die trifft nicht der Kanzler, die trifft in Deutschland der sogenannte Bundessicherheitsrat", sagte er im Deutschlandfunk. "Da sitzen auch alle anderen Parteien."

Gremium, das über Waffendeals entscheidet

Das trifft zwar nicht ganz genau zu, aber so gut wie. Der Bundessicherheitsrat (BSR) ist tatsächlich das Gremium, in dem über die deutschen Rüstungsgeschäfte entschieden wird. Er existiert seit 1955, war in den vergangenen Jahrzehnten aber unterschiedlich wichtig. Die Mitglieder des Bundessicherheitsrats setzen sich aus Bundesministerinnen  und -ministern zusammen, sowie dem Generalinspekteur der Bundeswehr als auch dem Chef des Bundespräsidialamts. Außer dem Regierungssprecher ist zudem  noch die oder der jeweilige Abrüstungsbeauftragte in der Kommission vertreten. Aktuell ist das Günter Sautter.

Aus dem Bundeskabinett stammen insgesamt neun Regierungsmitglieder: Bundeskanzler Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Justizminister Marco Buschmann (FDP), Finanzminister Christian Lindner (FDP), Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Svenja Schulze (SPD). Die Regierungsparteien sind es, was Sigmar Gabriel mit "alle anderen Parteien" meint.

Laut der Geschäftsordnung berät der BSR "Fragen der Sicherheitspolitik, insbesondere auf allen Gebieten der Verteidigung sowie der Abrüstung und Rüstungskontrolle." Diese Art der Beratung umfasst auch die Genehmigung von Waffenexporten. In der Vergangenheit hatte die erweiterte Ministerrunde auch umstrittene Ausfuhren wie Spürpanzer und Panzerfäuste nach Saudi-Arabien und Kampfpanzer nach Katar durchgewunken. Laut des offiziellen Rüstungsexportberichts 2020 wurden Güter im Wert von 5,8 Milliarden Euro ins Ausland verkauft, die Hälfte davon ging an Nato-Länder beziehungsweise befreundete Staaten.

Keine einfachen Lösungen bei Waffenexporten

"Für Rüstungsexporte gilt dabei noch mehr als sonst: Es gibt keine einfachen Lösungen und keine 'Schwarz-Weiß-Entscheidungen'. Vielmehr lohnt ein differenzierter Blick auf die genauen Umstände", heißt es in dem jährlichen Bericht. Mit solchen vagen Formulierungen lassen sich viele Exporte durchwinken aber eben auch blockieren. Oft wird in der Diskussion zwischen defensiven und offensiven Waffen unterschieden, was in der Praxis aber keine Rolle spielt.

"Angriff und Verteidigung sind taktische Begriffe, die nichts über die verwendeten Mittel aussagen. Ein Sturmgewehr lässt sich trotz seines auf Angriff hindeutenden Namens ebenso in der Verteidigung einer Stellung nutzen. Und der Beschuss durch Flug- oder Panzerabwehrwaffen ist aus Sicht der beschossenen Besatzung ein tödlicher Angriff", schreibt etwa der Völkerrechtler Simon Gauseweg von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Obwohl Kanzler Scholz mit Beginn der Invasion Russlands in die Ukraine von einer Zeitenwende sprach, lehnt es seine Regierung weiterhin ab, offensives beziehungsweise schweres Gerät auszuführen. Die genehmigten Exporte werden zudem oft erst mit Zeitverzug öffentlich gemacht oder es kommt zu Unstimmigkeiten in der Kommunikation.

So hatte der Regierungschef am 26. Februar auf Twitter angekündigt, erstmals Waffen an die Ukraine zu liefern und dabei sogar Details genannt. Knapp drei Wochen später kamen dort 500 Strela-Luftabwehrraketen an, ursprünglich aber war die Rede von 2700 gewesen. Das Verteidigungsministerium schwieg zu dem Fall und verwies auf Geheimhaltung. Laut der Zeitung "Welt" hatte der Bundessicherheitsrat die Anzahl verringert.

Ist das Kanzleramt Schuld?

Der Militärexperte Gustav Gressel glaubt, für solche Blockaden seien Kanzleramt und Verteidigungsministerium verantwortlich. "Das größte Hindernis ist das Kanzleramt. … Das zweite Problem ist das Verteidigungsministerium, wo man auf die Suche nach Argumenten geht, um die Dinge zu blockieren – ganz im Sinne des Kanzleramts", so Gressel im Magazin "Focus".

Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, verteidigt die zögerliche Haltung: "Wir können nicht einfach alles, was irgendwo bei einer Firma auf dem Hof steht, ohne Weiteres liefern – zum Beispiel die 50 Jahre alten Schützenpanzer Marder", wie sie jüngst sagte. Sie geht aber davon aus, dass die Bundesregierung im Bundessicherheitsrat die Entscheidungen verantwortungsvoll treffe und "alles auslotet, was möglich ist".

Quellen: Lto.de, DPA, AFP, "Welt", "Handelsblatt", "Focus", BMWK, Olaf Scholz auf Twitter

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