Wahl des Bundespräsidenten Heute ist Gauck-Kür

Es ist sein zweiter Anlauf, aber heute wird es wohl klappen: eine riesengroße schwarz-gelb-rot-grüne Koalition will Joachim Gauck zum Präsidenten wählen. Hier erklären wir, wie die Wahl abläuft.

Mit dem parteilosen Theologen Joachim Gauck soll heute ab 12 Uhr erstmals ein Bürger der ehemaligen DDR zum Bundespräsidenten gewählt werden. Gaucks Wahl gilt als sicher. Der 72-Jährige wird von einer beispiellosen Fünf-Parteien-Koalition aus CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen unterstützt. Für die Linke kandidiert die Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld. Die 73-Jährige ist aber chancenlos, auch die rechtsextreme NPD schickt einen eigenen Kandidaten in die Wahl.

Der Tag der Präsidentenwahl hat um 9 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst begonnen. Um 11 Uhr kommen die Fraktionen zu letzten Zählappellen zusammen. Um 12 Uhr beginnt im Plenarsaal des Berliner Reichstagsgebäude die Bundesversammlung, die den Präsidenten wählt. Der erste Wahldurchgang ist für 12.15 Uhr angesetzt. Mit dem Ende des Wahlgangs wird gegen 14.30 Uhr gerechnet. Nach Verkündung des Ergebnisses wird das neue Staatsoberhaupt eine kurze Ansprache halten, danach wird die Nationalhymne erklingen. Noch am Sonntag will Gauck mehreren TV-Sendern Interviews geben.

Bei der letzten Wahl im Juni 2010 war Gauck noch dem CDU-Politiker Christian Wulff unterlegen. Dieser war im Februar nach nur 20 Monaten im Amt zurückgetreten. Von seinem Leben als normaler Bürger nahm Gauck am Samstag mit "sehr gemischten Gefühlen" Abschied, wie er erklärte: "Ich kann Ihnen die nicht beschreiben", sagte er auf Journalistenfragen am Rande von kurzen Besuchen bei Fraktionen der Bundesversammlung.

"Gerade deshalb ist es der richtige Präsident"

Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Delegierten, die von den Landesparlamenten gewählt werden. Von den insgesamt 1240 Delegierten werden voraussichtlich 1238 anwesend sein. Dazu gehören auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, er sei zuversichtlich, dass Gauck eine breite Mehrheit bekomme. "Das ist eine große Ermunterung, diese nicht leichte Aufgabe zu übernehmen". SPD-Fraktionschef Fran-Walter Steinmeier sagte, er freue sich über die große Zustimmung für den von Rot-Grün vorgeschlagenen Kandidaten. Gauck werde ein Bundespräsident sein, "an dem sich viele reiben werden", manchmal auch die SPD. "Aber gerade deshalb ist es der richtige Präsident."

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle erklärte, Gauck werde "unserem Land guttun". Er sei integer, überzeugend und glaubwürdig. Die Liberalen hatten Gauck gegen Widerstand der Union in der Koalition durchgesetzt.

Gut ein Drittel weiß nicht, wofür der 72-Jährige steht

Gauck geht mit großem Vertrauensvorschuss der Bürger und Parteien in die Wahl. Das voraussichtliche neue Staatsoberhaupt halten 80 Prozent der Deutschen für glaubwürdig, wie eine Umfrage für die ARD-Sendung "Günther Jauch" ergab. Gut ein Drittel (37 Prozent) weiß aber noch nicht, wofür der 72-Jährige steht. Neben dem großen Thema der Freiheit wird von Gauck erwartet, zu anderen Fragen wie dem Euro oder dem Rechtsextremismus Position zu beziehen.

Gegenkandidatin Beate Klarsfeld rief am Vorabend der Bundesversammlung zum Kampf gegen den Rechtsextremismus auf. "Ich betrachte meine Kandidatur als große Ehre und verbinde damit das politische Signal, im Kampf gegen alte und neue Nazis nicht nachzulassen", sagte Klarsfeld am Samstagabend in Berlin nach einem Treffen der Linke-Fraktion der Bundesversammlung.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Voraussichtlich am Montag soll Gauck in sein Amt eingeführt werden. Die Vereidigung des 11. Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen. Offiziell im Amt ist der Präsident aber bereits, sobald er die Wahl durch die Bundesversammlung annimmt. Ein politische Rede will Gauck im ersten Tag noch nicht halten: "Morgen gibt's nur Dankesworte, da gibt es noch keine politische Rede. Die gibt's vielleicht am 23., da müssen Sie sich noch ein paar Tage gedulden", sagte Gauck am Samstag zu Journalisten.

DPA · Reuters
jar/DPA/Reuters