Deutsche Parteien im Internet - das ist bislang ein kaum zu unterbietendes Trauerspiel. Der ehemalige SPD-Parteichef Kurt Beck wollte sich auf Youtube den Fragen der Öffentlichkeit stellen, es fragte aber leider kaum einer. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil twitterte aus dem amerikanischen Wahlkampf, dass er abends Sushi gegessen hat, und erntete ein paar Lacher. FDP-Chef Guido Westerwelle und CDU-Chefin Angela Merkel halten in ihre Videocasts Ansprachen, die so aussehen, als würden sie vom Fachverband der Sanitätshäuser produziert.
Dass es auch ganz anders gehen kann, hat die fulminante Internetkampagne des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama gezeigt. Botschaften wurden multipliziert, Wähler mobilisiert und Spenden eingeworben, die sich am Ende auf mehrstellige Millionenbeträge summierten. Obama hat das Internet politisch gerockt und nicht zuletzt deswegen die Wahl gewonnen. Diese Erkenntnis ist mittlerweile auch bei den deutschen Sozialdemokraten angekommen. Der SPD-Bundesgeschäftsführers Kajo Wasserhövel formuliert sie so: "Das Internet ist an der Schwelle zu Leitmedium der politischen Kommunikation."
"Mit Ecken und Kanten"
Folge ist ein Stratgiewechsel im Willy-Brandt-Haus. Der Wahlkampf bis zum September 2009, für den Wasserhövel hauptverantwortlich ist, soll sich auf das Internet konzentrieren. "Die Onlinekampagne wird das Herzstück sein", sagte Wasserhövel in Berlin. Erstes sichtbares Zeichen ist die komplett überarbeitete Internetseite www.spd.de, die am Mittwochmittag online geht und in Farbe, Aufmachung und Zuschnitt das neue "Corporate Design" der SPD vorgibt.
Die Seite, zuvor ein bunter Flickenteppich, ist nun komplett entrümpelt und zeigt in einer Art Schaufenster die aktuellen News. Die Farben sind in Hell- und Dunkelblau gehalten, der Schriftzug SPD findet sich auf einem dreidimensionalen Würfel. "Die SPD ist eine Partei mit Ecken und Kanten", erläuterte Wasserhövel bei der Präsentation scherzhaft den Würfel. Außerdem ist der neue Slogan zu sehen: "Anpacken. Für unser Land" - der offenbar einen ähnlich appellativen Charakter wie Obamas legendäres "yes we can" haben soll. Ein Button mit dem Aufruf "Online spenden!" darf natürlich auch nicht fehlen.
Ausschwärmen der SPD-Mitglieder
Nach dem Launch dieser Seite will Wasserhövel vor allem die interaktiven Elemente stärken. Ohne Details zu nennen, sprach der Wahlkampfmanager von SPD-Blogs, Twitter-Einträgen und dem Ausschwärmen der Parteimitglieder in die sozialen Netzwerke wie Facebook, StudiVZ oder Xing. Wie die SPD-Leute dort agieren sollen, ließ Wasserhövel offen - auf kritische Nachfragen sagte er, es gäbe die "Empfehlung", dass sich Parteimitglieder auch als solche zu erkennen geben. Die Kampagne werden offen und transparent sein.
Das Budget für die SPD-Internetaktivitäten nannte Wasserhövel auch auf mehrfache Nachfragen nicht. Ebenso wenig wollte er etwas zu den zentralen Wahlkampfthemen und zu den erhofften Stimmengewinnen sagen. Der Bundesgeschäftsführer äußerte sich eher vorsichtig: "Unser Erfolg wird auch davon abhängen, wie die anderen Medien mit unserer Kampagne im Netz umgehen."
Feindbild fehlt
Tatsächlich wird die SPD-Kampagne wohl nie einen solchen Drive wie Obamas Kampagne entwickeln. Dafür sind die Unterschiede zu groß. Niemand wird dem SPD-Spitzenkandidaten Frank Walter Steinmeier das Charisma eines Obama andichten können, außerdem kann die SPD - da in der Großen Koalition gebunden - kein klares Feindbild aufbauen. Wünsche und Hoffnungen auf einen Zeitenwechsel werden sich mit Steinmeier ebenfalls kaum verbinden, immerhin arbeitet er seit 1998 in unterschiedlichen Positionen für die jeweiligen Regierung.
Fraglich ist auch, ob es der SPD gelingt, ihre Botschaften ebenso glaubwürdig wie unterhaltsam zu verpacken. Dazu braucht es Selbstdistanz, Witz und Ironie. Diese Fähigkeiten fallen derzeit nur bei einem SPD-Spitzenpolitiker auf: Thorsten Schäfer-Gümbel. Jenem Mann, den in Hessen aller Voraussicht nach eine grandiose Wahlschlappe erwartet.