Westerwelle-Diskussion in der FDP Hau den Guido!

Kein Tag vergeht, ohne dass nicht mindestens ein führender FDP-Politiker den Rückzug von Parteichef Guido Westerwelle fordert. Die jüngsten Attacken kommen von Fraktionschefin Homburger und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Eine Entscheidung soll bereits am Montag fallen.

In der FDP wächst die Distanz von Spitzenpolitikern zu Parteichef Guido Westerwelle. Bundestags-Fraktionschefin Birgit Homburger sagte der "Rheinischen Post": "In der Tat können wir nicht so weitermachen wie bisher: Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen, sowohl inhaltlich wie personell." Wenn sie von "alles" spreche, meine sie damit selbstverständlich auch den Parteivorsitzenden.

Sie selbst werde allerdings weitermachen - auch in ihrer Funktion als FDP-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg. "Ich wurde massiv gebeten, jetzt nicht von Bord zu gehen", sagte Homburger. Weder als FDP-Landeschefin noch als Fraktionsvorsitzende in Berlin stehe sie als "Bauernopfer" für einen Verbleib Westerwelles an der Parteispitze zur Verfügung.

Leutheusser-Schnarrenberger erhöht den Druck

Zuvor hatte in der FDP-Führungsdebatte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Druck auf Westerwelle erhöht. "Keiner sollte an seinem Posten kleben", sagte die bayerische FDP-Vorsitzende dem "Münchner Merkur". Westerwelle habe ein gutes Gespür für die Lage der Partei. "Da gibt es ein erhebliches Grummeln an der Basis."

Leutheusser-Schnarrenberger forderte ein geordnetes Prozedere bei einem Führungswechsel: "Wichtig ist, dass wir fair miteinander umgehen. Wir dürfen keinen Scherbenhaufen hinterlassen." Auf die Frage, ob Westerwelle auch als Außenminister infrage stehe, sagte sie: "Nein, wir reden jetzt nur über die Erneuerung der Parteispitze."

Kritik kam auch aus den Ländern. Am Morgen richtete die Baden-Württembergische FDP eine kaum verklausulierte Rücktrittsforderung an Westerwelle. "Ich gehe davon aus, dass Guido Westerwelle am Montag in der Präsidiumssitzung die richtigen Schlussfolgerungen aus der Gesamtsituation zieht", sagte Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke.

Entscheidung schon am Montag

Rülke bestätigte damit auch ungewollt einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung". Das Blatt hatte gemeldet, dass die FDP-Spitze die Entscheidung über ihre Führungsmannschaft und damit das Schicksal von Westerwelle um eine Woche vorzieht. Es sei denkbar, dass das Parteipräsidium schon am 4. und nicht erst am 11. April über eine inhaltliche und personelle Neuaufstellung berate, berichtet die "SZ" unter Berufung auf Parteikreise. Westerwelle sei bereit, sein Vorsitzenden-Amt auf dem Bundesparteitag in Rostock im Mai abzugeben, wenn sich ein geeigneter Nachfolger fände. Er wolle aber auf alle Fälle Außenminister bleiben.

Pieper zieht Konsequenzen

Unterdessen hat FDP-Vize Cornelia Pieper Konsequenzen aus dem FDP-Wahldebakel bei den vergangenen drei Landtagswahlen gezogen. Pieper kündigte an, nicht mehr zur Wahl als stellvertretende Bundesvorsitzende anzutreten. Sie verzichte auch auf eine weitere Amtszeit als FDP-Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, sagte Pieper der "Mitteldeutschen Zeitung". Stattdessen wolle sie sich künftig auf ihre Arbeit als Staatsministerin im Auswärtigen Amt konzentrieren. Für den Bundesvorstand will Pieper aber erneut kandidieren.

Zur Frage eines Rückzugs Westerwelles sagte Pieper, dass sie ihn für alternativlos halte. "Aber das entscheidet zunächst einmal er persönlich und dann der Parteitag."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Wer hat noch nicht, wer will noch mal...

Auch der sächsische FDP-Landeschef Holger Zastrow sprach sich gegen einen Wechsel an der Spitze der Bundespartei aus. Er habe weiterhin Vertrauen in Westerwelle, sagte Zastrow im Deutschlandfunk. Der Parteichef habe das richtige Gespür für Themen und die Partei erst groß gemacht. Man könne ihm aber ein Team zur Seite stellen, um die Liberalen breiter aufzustellen.

Der frühere FDP-Vize Walter Döring wiederum übte Kritik an Generalsekretär Christian Lindner, der als möglicher Nachfolger von Westerwelle gehandelt wird. "Natürlich hat Lindner großes Potenzial, aber das reicht nicht für den Job des Parteichefs", sagte Döring "Spiegel online". "Er hat noch nicht das Zeug dazu." Westerwelle dagegen habe "als einziger die Statur, den Laden noch halbwegs zusammenzuhalten". Deshalb laute sein Rat: "Einfach mal die Klappe halten, intensiv nachdenken und dann richtig durchstarten."

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler plädierte für eine Umbildung des Bundeskabinetts. "Die Koalition braucht nach den verheerenden Wahlergebnissen einen Neustart, sowohl inhaltlich als auch personell", sagte der Sprecher der Gruppierung Liberaler Aufbruch "Handelsblatt Online". Die Koalition müsse die Steuerzahler in den Fokus ihrer Politik rücken. "Dieser Befreiungsschlag muss sich in der Regierung durch eine umfassende Kabinettsumbildung auch personell ausdrücken".

Düstere Umfragewerte

Die jüngsten Diskussionen haben sich offenbar auch in den Umfragewerten für die Liberalen niedergeschlagen. Im ZDF-Politbarometer erreichte die FDP bei der Sonntagsfrage nur fünf Prozent und müsste um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Noch düsterer sieht es bei der Frage nach der politischen Stimmung aus. Da liegen die Liberalen nur noch bei drei Prozent.

Die Mehrheit der Befragten rechnet mit einem Rückzug von Parteichef Guido Westerwelle. 55 Prozent glauben nicht, dass der Außenminister nach dem FDP-Parteitag im Mai noch Vorsitzender der Liberalen sein wird. 36 halten es dagegen für wahrscheinlich, dass er sich bis dahin im Amt halten kann und dann bestätigt wird, wie die am Freitag veröffentlichte Befragung der Forschungsgruppe Wahlen ergab.

DPA · Reuters
kng/DPA/AFP/Reuters