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Bund-Länder-Flüchtlingsgipfel Königsteiner Schlüssel: Wie Geflüchtete und Asylsuchende auf die Bundesländer verteilt werden

Verteilung Geflüchtete
Knapper Wohnraum: Viele Geflüchtete werden in provisorischen Unterkünften einquartiert
© Arne Dedert / DPA
Die Bundesländer sind mit der Aufnahme von Geflüchteten und Asylsuchenden überlastet. Knackpunkt ist insbesondere der Wohnraum. Länder und Kommunen fordern deshalb neue Regeln bei der Verteilung.

Seit Jahren ächzen die Bundesländer unter der Zahl derer, die in Deutschland ein neues Zuhause suchen. Das ist nicht neu. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine bildet aber einen neuen Höhepunkt in der fragilen Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik. Seit russische Truppen das Nachbarland überfallen haben, sind 1,1 Millionen Ukrainer nach Deutschland geflohen, zeigen vorläufige Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Zwar sind einige Menschen in ihre Heimat zurückgekehrt, geblieben sind dennoch 962.000 von ihnen. Das sind mehr als zurzeit der Flüchtlingskrise 2014 bis 2016 aus Syrien, Afghanistan und dem Irak zusammen gekommen sind.

Hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Aufenthalt genehmigt, sind die Bundesländer rechtlich dazu verpflichtet, den Geflüchteten ein Zuhause zu gewähren. Nur: "Wir sind am Ende unserer Unterbringungsmöglichkeiten", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, im ARD-"Morgenmagazin". "Wir belegen Turnhallen, wir mieten Hotels an. Aber was machen wir eigentlich, wenn jetzt im Rahmen der Offensive noch 200.000, 300.000 Vertriebene aus der Ukraine kommen?" Ganz zu schweigen von weiteren Geflüchteten aus Afghanistan oder Syrien.

Königsteiner Schlüssel regelt Verteilung von Geflüchteten

Die Stimmung in den Bundesländern ist gedrückt: Berlin und Sachsen-Anhalt teilen auf stern-Anfrage mit, dass sich die Zahl der Geflüchteten und Asylsuchenden im letzten Jahr im Vergleich zu 2021 verdoppelt habe. Berlin hat nach eigenen Angaben im letzten Jahr 10.000 neue Unterkunftsplätze geschaffen. Inklusive 800 Plätze in der Notunterkunft Flughafen Tempelhof, teilt ein Sprecher der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales mit. In der Bundeshauptstadt kommen wegen des Flughafens und der Nähe zu Polen besonders viele Geflüchtete an. Das erhöht die Herausforderungen für die Stadt.

Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist angespannt. Das erschwert die Unterbringung der Geflüchteten zusätzlich. Länder und Kommunen suchen händeringend nach "Liegenschaften", wie es auf Anfrage aus mehreren Ländern heißt. Die Menschen abzuweisen, kommt dabei nicht infrage.

Die Verteilung auf die Länder wird über den Königsteiner Schlüssel geregelt. Die entsprechenden Quoten werden jedes Jahr vom BAMF anhand der Steuereinnahmen und Bevölkerungszahlen der Bundesländer berechnet. Entsprechend fällt die Zahl der aufzunehmenden Menschen aus. In Nordrhein-Westfalen lag die Quote im vergangenen Jahr bei 21 Prozent. Ihm folgen Bayern (15 Prozent) und Baden-Württemberg (13 Prozent). Das Schlusslicht bilden Mecklenburg-Vorpommern (knapp zwei Prozent), Saarland (ein Prozent) und Bremen (knapp ein Prozent).

Verteilungsquoten der Bundesländer
Verteilungsquoten der Bundesländer
© Screenshot / BAMF
Verteilungsquoten der Bundesländer
Verteilungsquoten der Bundesländer
© Screenshot / BAMF

In Baden-Württemberg wurden im vergangenen Jahr 223.145 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen, 47.323 Personen aus Drittstaaten haben zusätzlich Asylanträge gestellt, teilt eine Sprecherin mit. In Bremen gibt es keine belastbaren Zahlen, "Weil den Zugängen aus der Ukraine auch wieder Abgänge gegenüberstehen", teilt ein Sprecher der Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport mit. "Viele Menschen sind privat untergekommen und im Zuge der Visafreiheit bei ihrer Ankunft nicht registriert worden."

Trotzdem ist der Wohnraum für Geflüchtete in Deutschlands kleinstem Bundesland knapp. Die Umstände, unter denen ein Teil der Menschen in Großzelten und Leichtbauhallen untergebracht werden müssten, sei belastend. "Der Ausbau der Kapazitäten in höherer Qualität ist zeit- und ressourcenaufwendig, wobei die räumlichen Ressourcen in Bremen als Zwei-Städte-Staat naturgemäß besonders begrenzt sind", heißt es.

Forderungen der Länder werden enttäuscht

Wegen der angespannten Lage hatten die Länder zuletzt Geld und Wohnmöglichkeiten vom Bund gefordert. "Der Bund muss den Ländern deutlich mehr mietzinsfreie Liegenschaften für die Unterbringung zur Verfügung stellen", heißt es etwa aus Bayern. Innenministerin Nancy Faser hatte deshalb zu einem Flüchtlingsgipfel geladen. Dort ging es um die Versorgung und Unterbringung. Gebracht hat das Treffen aus Ländersicht nichts.

Schon vor dem Treffen hatte Faser Forderungen nach Milliardenhilfen abgeblockt. Sie verwies auf die bereits zugesagten 3,5 Milliarden Euro für 2022 und weitere 2,75 Milliarden Euro für 2023. Sie rechnet allerdings damit, dass der Bund den Ländern 333 Gebäude mit bis zu 69.000 Plätzen mietfrei überlasse. Die Kommunen kritisieren dagegen, dass viele Gebäude ohne Sanierung kaum nutzbar seien.

Zudem stellten die Länder die Regelung bei der Verteilung infrage. Länder mit starker Wirtschaftsleistung müssen laut dem Königsteiner Schlüssel mehr Menschen aufnehmen als leistungsschwächere Regionen. Allerdings ist in Regionen mit hoher Wirtschaftskraft der Wohnraum begrenzter. Die Länder fordern deshalb neue Kriterien für die Zuweisung von Flüchtlingen – wurden aber auch hier beim Flüchtlingsgipfel enttäuscht.

Quellen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Statista, Mediendienst, mit Material von DPA und AFP

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