ZINSSTEUER Kapitalrückflüsse von über 100 Milliarden Euro

Kanzler Schröder geht nach der Einführung einer pauschalen Steuer auf Zinserträge von einem Rückfluss von über 100 Milliarden Euro aus.

So etwas hat Gerhard Schröder in dieser Wahlperiode noch nicht erlebt: Lob von fast allen Seiten. Mit seinem Überraschungscoup für eine neue Zinssteuer schlug der Bundeskanzler mehrere Fliegen mit einer Klappe. Der SPD-Steuerstreit ist beigelegt, die von der Wirtschaft strikt abgelehnte Vermögensteuer vom Tisch und die Regierung wieder mehr in der Offensive. Der Opposition, die den Systemwechsel bei der Zinsbesteuerung seit Jahren fordert, nahm Schröder Wind aus den Segeln.

Auch das Argument, die Regierung erhöhe die Steuern auf breiter Front, hat an Schlagkraft verloren. Die neue Abgeltungssteuer auf Zinserträge ist sogar ein Geschenk für Vermögende. Denn während mit der Vermögensteuer die Reichen und Superreichen im Land stärker zur Kasse gebeten werden sollten, kommt manch Wohlhabender mit der neuen 25-prozentigen Zinssteuer besser weg. Denn heute wird auf Zinsgewinne entsprechend dem persönlichen Einkommensteuersatz bis zu 48,5 Prozent Steuer gezahlt - vorausgesetzt, der Bürger ist ehrlich und gibt seine Zinseinkünfte überhaupt an.

Genau hier setzt Schröders Plan an: Geldanleger sollen nicht abgeschreckt werden von der noch relativ hohen Zinsbesteuerung in Deutschland. Außerdem soll es sich für Bundesbürger nicht mehr lohnen, ihr Geld ins Ausland zu schaffen. Auch will Schröder reuige Steuersünder dazu bewegen, ihr illegal ins Ausland transferierte Vermögen zurück nach Deutschland zu schaffen. Belohnt werden soll dies mit einer Amnestie. »Es ist sinnvoll, wenn das Geld in Deutschland arbeitet und investiert wird«, begründet der Kanzler seinen Plan.

Doch ob Schröder den Streit um die Vermögensteuer auch langfristig überwunden hat, scheint fraglich. Während Opposition und Wirtschaft Schröders Idee durchweg begrüßen, laufen die Gewerkschaften Sturm. »Damit werden soziale Schieflagen in der Steuerpolitik festgeschrieben«, meint der Vize-Chef der IG Metall, Jürgen Peters. Das Ziel, Reiche stärker an der Finanzierung staatlicher Aufgaben zu beteiligen, werde mit der neuen Zinssteuer nicht erreicht. Schröder hält dies nicht für stichhaltig. Es treffe diejenigen, die von Kapitalerträgen lebten »und nicht aus der Lohntüte«.

»Es muss was rüberkommen«


Offen ist auch, ob die SPD-Basis, vor allem der linke Flügel, mitzieht. Die Befürworter einer neuen Vermögensteuer machten zwar klar, dass sie ihre Forderung fallen lassen. Sie hielten es sich jedoch offen, das Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen, falls Schröders Rechnung nicht aufgeht. Der Kanzler und Finanzminister Hans Eichel erwarten, dass einmalig gut 25 Milliarden Euro in die Kassen des Staates gespült werden, weil mit etwa 100 Milliarden Euro Kapitalrückfluss zu rechnen sei. Der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Hessen am 2. Februar, Gerhard Bökel, sagt, wichtig sei dass die Länder mehr Geld für Bildung erhielten. »Es muss was rüberkommen. Sonst kommt die Vermögensteuer wieder auf den Tisch.«

Die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück, die an der Spitze der Bewegung für eine neue Vermögensteuer standen, hatten sich von der Abgabe ab 2004 jährlich acht bis neun Milliarden Euro erhofft. Ein solcher Betrag ist allein durch die neue Zinssteuer nicht in Sicht, wie sich Experten einig sind.

Auch haben die Fachleute von Finanzminister Hans Eichel noch Schwerstarbeit vor sich, um Details zu klären: Muss zum Beispiel ein Bürger, der allein von seinen Zinsen lebt, künftig nur 25 Prozent Steuern zahlen, während etliche Selbstständige, Mittelständler, Handwerker, Angestellte und Arbeitnehmer den Spitzensteuersatz für ihr Einkommen zahlen müssen, der deutlich höher liegt? Fest steht für Eichel aber schon, dass »der kleine Mann« nicht schlechter gestellt werden solle als nach heutiger Praxis. Die Sparerfreibeträge würden nicht gekürzt, sagt er. »Eins ist klar: Die Kleinsparer dürfen keine Nachteile haben.«

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