SPD-Chef Sigmar Gabriel hat das Konzept der Partei zu Korrekturen an ihren eigenen Hartz-IV-Beschlüssen verteidigt. Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt hätten viele Menschen von der SPD entfernt, sagte Gabriel mit Blick auf die Gesetze, die vor über sieben Jahren von der rot-grünen Bundesregierung beschlossen wurden, am Montag den ARD-"Tagesthemen". Es gehe darum, wieder "Ordnung und Fairness" auf dem Arbeitsmarkt herzustellen.
Auf dem Arbeitsmarkt seien normale Arbeitsplätze "Schritt für Schritt" vernichtet worden, sagte Gabriel. So werde etwa die Leiharbeit massenhaft angewendet und müsse wieder dahin zurückgeführt werden, wo sie urspünglich hergekommen sei - nämlich um "Auftragspitzen" abzufedern. Für den Ausbau des sozialen Arbeitsmarktes sollten zusätzliche drei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Dies sei verglichen mit den "irrsinnigen Steuergeschenken" der jetzigen Regierung "sehr, sehr" bescheiden, sagte Gabriel.
Das Konzept war am Montag von der SPD-Spitze beschlossen worden. Demnach soll das Arbeitslosengeld I bis zu 24 Monate gezahlt werden, Leiharbeit soll eingeschränkt werden und das Vermögen von Hartz-IV-Empfängern nicht mehr geprüft werden. Die Pläne sollen nun mit der Basis, aber auch Gewerkschaften, Unternehmern und Wissenschaftlern diskutiert werden, ehe sie auf einem Parteitag zur Abstimmung gestellt werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnte den letzten Punkt am Montag in einer Sitzung der Unions-Fraktion im Bundestag strikt ab: "Das bringt das soziale System durcheinander", sagte sie nach Angaben von Teilnehmern. Damit könnten "Besitzer von sieben, acht Häusern Hartz IV beantragen. Das wäre der absolute Irrsinn", wurde die Kanzlerin zitiert. Die von der SPD vorgeschlagene Schaffung eines "sozialen Arbeitsmarktes" stufte Merkel als ursprüngliche Idee der Linkspartei ein. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte dem Handelsblatt (Dienstag): "Kurz vor der NRW-Wahl will die SPD eine hübsche Braut für die Linkspartei sein und wirft alle finanzpolitische Seriosität über Bord."
Auch von der Linkspartei kommt Kritik. Ihr stellvertretender Vorsitzender Klaus Ernst forderte die SPD zu personellen Konsequenzen nach ihrem inhaltlichen Kurswechsel auf. Eine veränderte Politik mit den Verantwortlichen für diese Reform wie Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier oder dem früheren Generalsekretär Olaf Scholz sei nicht glaubwürdig, sagte Ernst der "Berliner Zeitung" (Dienstag). Dem politischen Kurswechsel müsse nun auch der personelle Wechsel folgen.
Auch SPD-intern wird erste Kritik laut. So sagte der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Garrelt Duin, der "Rheinischen Post" (Dienstag): "Ein vollständiger Wegfall der Vermögensprüfung widerspricht dem Grundsatz, dass nur der die Solidarität der Steuerzahler genießen kann, der dieser Hilfe auch tatsächlich bedarf."