Zwischenruf Diät-Kur für Volksvertreter

Der Ärger um Bezüge und Pensionen von Bundestagsabgeordneten könnte vermieden werden, wenn nur dem Gesetz gefolgt würde. Ein Vorschlag zur Güte. Aus stern Nr. 18/2006

Es gibt nicht den Bundestagsabgeordneten. Auch finanziell betrachtet haben wir es mit höchst unterschiedlichen Volksvertretern zu tun. Die einen leben nur von ihren Diäten, andere verdienen noch ordentlich dazu - manche so viel, dass ihre Parlamentsarbeit geradezu als Nebenberuf erscheint. Da den Mandatsträgern Nebentätigkeiten nicht untersagt sind, ist es eine schier unlösbare Aufgabe, eine gerechte wie angemessene Lösung zu finden. Die Diäten - jener Betrag, den der Abgeordnete versteuern muss wie jeder Bürger - sind noch das geringste Problem, auch wenn die immer wiederkehrenden Debatten über Erhöhungen Furcht (unter den Volksvertretern) und Zorn (beim Volk) auslösen. 7009 Euro brutto sind das derzeit im Monat - eher zu wenig für einen Parlamentarier, der nur davon existiert und nicht bestechlich sein soll.

Die steuerfreie Kostenpauschale, die obendrauf kommt und zum Beispiel ein Wahlkreisbüro, eine Zweitwohnung in Berlin und Kilometergeld im heimischen Sprengel finanzieren soll, ist schon problematischer. Denn die 3647 Euro im Monat reichen dem einen kaum, dem anderen aber dicke - wenn er etwa sowieso in Berlin lebt und gar keine Zweitwohnung braucht, er den Rest also steuerfrei einstecken kann. Den höchsten Pegel erreicht die - leicht zu schürende - Empörung im Volk aber dann, wenn die Altersversorgung der Abgeordneten vorgerechnet wird. Nach acht Jahren Bundestag hat einer schon Anspruch auf 1682 Euro Pension, ab dem 65. Lebensjahr. Mit jedem weiteren Parlamentsjahr, bis zum achtzehnten, wird die kontinuierlich steigende Pension sogar ein Lebensjahr früher ausgezahlt. Mit anderen Worten: Nach 18 Abgeordnetenjahren gibt es schon vom 55. Lebensjahr an monatlich 3780 Euro, nach 23 Jahren die Höchstpension von 4836 Euro. Ohne dass Beiträge gezahlt worden wären - das absonderlichste Privileg, das die Demokratie vergeben hat. Dafür müsste ein Arbeitnehmer in der bescheidenen Rentenversicherung Jahrhunderte rackern und "kleben".

Das alles muss, das soll geändert werden. Norbert Lammert, der Bundestagspräsident, hat als Erstes die Anpassung der Diäten - seit 2003 nicht mehr erhöht - entsprechend der Bruttolohnentwicklung der Arbeitnehmer vorgeschlagen: Das wären 7100 statt 7009 Euro im Monat. Kein Anlass zur Aufregung. Eine wahre Bombe verbirgt sich dagegen in einem Modell zur Neuordnung der Pensionen nach der Wahl 2009, das in den Hinterzimmern des Bundestags diskutiert wird. Würden die Diäten nämlich so weit aufgestockt, dass die Parlamentarier mit eigenen Beitragszahlungen ihre heutigen Pensionsansprüche wahren könnten, müssten sie auf etwa 14000 Euro verdoppelt werden. Das aber macht der Wähler und Steuerzahler nicht mit, es wäre ein Adrenalinbad für Politikerverachtung.

Dabei könnte alles so einfach sein, wenn das Abgeordnetengesetz nur konsequent und mit gesundem Menschenverstand angewendet würde. Dort ist nämlich festgehalten, dass sich die Diäten "an einem Zwölftel der Jahresbezüge eines Richters bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Besoldungsgruppe R 6)" orientieren sollen. Das wären aktuell runde 8050 Euro brutto. Stockt die Diäten also auf, Damen und Herren Abgeordnete, in einem oder mehreren Schritten - aber bitte erst, wenn ihr reformerisch fürs Land etwas geleistet habt und nicht wie Maurer erscheint, die vor der Arbeit erst mal vespern. Frühestens 2007. Und dann bleibt dabei, die Diäten mit "R 6" automatisch wachsen oder schrumpfen zu lassen. Zweiter Schritt: Die steuerfreie Kostenpauschale wird auf 1000 Euro gekürzt, darüber hinaus werden Aufwendungen nur nach geprüftem Einzelnachweis bis höchstens 3000 Euro erstattet.

Nun zur Altersversorgung: wenn schon Bundesrichter, dann auch hier. Das heißt: Die Pension wird, egal wie lange jemand im Bundestag saß, erst vom 65., später vom 67. Lebensjahr an gezahlt. Und sie orientiert sich an der Pension der Richter, nicht an den Bezügen der aktiven Abgeordneten, wie das heute der Fall ist. Drei Prozent der Diäten von 7009 Euro ergeben für jedes Jahr im Bundestag rund 210 Euro Pension. Der Anspruch des Richters nach 40 Dienstjahren liegt aber bei 75 Prozent der letzten Bezüge - grob gerechnet nur 150 Euro pro Berufsjahr (gut 6000 von 8050 Euro). Das hat Folgen: Nach acht Abgeordnetenjahren ergäbe das Richter-Modell einen Anspruch auf 1200 statt heute 1682 Euro, nach 16 Jahren auf 2400 statt 3364 Euro und nach 23 Jahren auf 3450 statt 4836 Euro. Sitzt jemand 40 Jahre im Parlament, soll er auch das haben, was der Richter nach 40 Jahren hat: gute 6000 Euro.

Konsequenz dann aber bitte auch in anderer Hinsicht: Hat der Parlamentarier aus beruflicher Nebentätigkeit eine Altersversorgung aufgebaut, die 500 Euro im Monat übersteigt, wird die Abgeordnetenpension um ein Viertel gekürzt, bei mehr als 1000 Euro um ein Drittel, bei über 1500 Euro wird sie halbiert. Denn der Bundesrichter hat keinen zweiten Job.

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Hans-Ulrich Jörges