"Hitlers Volksstaat" Deutschland - Volk von Abzockern

Bislang sah man die Popularität des NS-Regimes vor allem in der breiten Zustimmung zur antisemitischen Politik begründet. Der Historiker Götz Aly präsentiert eine neue Sichtweise - und findet den Beifall der Fachwelt.

Mit seinem gerade erschienenen Buch "Hitlers Volksstaat" hat der Historiker und Journalist Götz Aly nach Meinung von Fachkollegen eine neue Deutung der deutschen Massengefolgschaft in der NS-Zeit vorgelegt. Anders als beispielsweise der US-Wissenschaftler Daniel Goldhagen ("Hitlers willige Vollstrecker") sehe Aly die Zustimmung weiter Teile der deutschen Bevölkerung zum Hitler-Regime nicht allein in einem mörderischen Antisemitismus begründet, heißt es in einer Rezension der neuen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit". Vielmehr beleuchtet der Autor, wie die Nazis innenpolitischen Rückhalt systematisch durch sozialpolitische Wohltaten bei mittleren und unteren Einkommensgruppen sicherten.

Zustimmung durch Umverteilung

"Die NS-Führung errichtete eine Gefälligkeitsdiktatur", sagte Aly in einem Interview der "Welt". Hitler habe sich die Zustimmung zu seiner Politik mit Hilfe sehr einfacher steuer- und sozialpolitischer Segnungen der Durchschnittsdeutschen erkauft. Einfach ausgedrückt wurden die oberen Einkommensschichten stärker belastet, Geringverdiener aber bewusst von Steuererhöhungen verschont - auch im Krieg.

Das Buch

Götz Aly: Hitlers Volksstaat.
Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus
S. Fischer Verlag, 464 Seiten, 22,90 Euro

Aly vertritt die These, dass die wohl kalkulierte Umverteilung von oben nach unten vor allem durch die systematische Enteignung jüdischen Eigentums und eine bis dahin ungekannte Ausplünderung der überfallenen und besetzten Länder finanziert wurde. "Hitlers zufriedene Räuber" titelt dann auch die Literaturbeilage der "Zeit" und schildert beispielsweise die deutschen Besatzer als "ein Heer von Schnäppchenjägern und Abzockern".

"Man wird sich von der Vorstellung trennen müssen, dass die NS-Politik bloß auf die verhängnisvollen Einflüsse fanatisierter völkischer Minderheiten zurückgeht", urteilt der Historiker Hans Mommsen in der "Süddeutschen Zeitung". Er widerspricht auch nicht Alys These von einer "kontinuierlichen sozialpolitischen Bestechung" durch das NS-Regime. Der Autor leiste vielmehr Pionierarbeit - unter anderem bei der Auswertung von Akten des Reichsfinanzministeriums, schreibt Mommsen.

DPA
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