Die Hauptstadt Geht da noch was zwischen diesen drei Herren?

Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner sitzen auf der Regierungsbank. Alle drei schauen auf ihr Handy.
Noch in einer Koalition oder schon beim Polit-Tinder? Scholz, Habeck und Lindner (von rechts) auf der Regierungsbank im Bundestag
© Michael Kappeler/dpa
Das Haushaltsdrama ist vorerst beendet. Betonung auf: vorerst. Denn was die angebliche Einigung wert ist, könnte sich schon in den nächsten Stunden zeigen.

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Lieber Leserinnen und Leser, 

wenn Politiker eine lange, harte Sitzung hinter sich haben, blicke ich gerne in ihre Gesichter. Nach einer durchverhandelten Nacht zum Beispiel, was in unserer Bundesregierung ja gelegentlich vorkommen soll, will ich wissen, ob sich aus ihrer Mimik etwas herauslesen lässt. Erschöpfung, Stress, Spuren der Anstrengung und Übermüdung. Irgendein menschlicher Zug, so denkt man, wird doch wohl erkennbar sein nach solchen Schlachten.

Meistens sehen die Beteiligten aber einfach aus wie immer, was mich einerseits staunen lässt, mir andererseits aber auch zeigt: Es hat schon einen Grund, warum ich nicht Politiker geworden bin. Ich würde in vergleichbaren Situationen wahrscheinlich am Mikro einschlafen. Oder einfach umkippen.

An diesem Mittwochmittag traten Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck im Kanzleramt vor die Kameras, nachdem sie sich mal wieder eine Nacht um die Ohren geschlagen hatten, um für das kommende Jahr irgendwie doch noch einen Haushalt vorlegen zu können. Ok, vielleicht waren sie ein ganz klein bisschen blasser als sonst, ansonsten aber wirkten sie halbwegs fit. Lindner hatte sogar einen Spruch parat. Das Kabinett habe sich mit dem Thema Einsamkeit beschäftigt. „Ich kann allerdings feststellen, dass wir drei in den letzten Wochen nicht betroffen gewesen sind“, sagte er und wirkte für einen Moment, als müsse er sich ein Lachen verkneifen.

Vielleicht war das dann doch ein Zeichen der Übermüdung. Zum Lachen ist nämlich eigentlich gar nichts in diesem Regierungsdrama. Klar, vier Wochen nach der Blamage in Karlsruhe steht der Haushalt für 2024 jetzt endlich. Um das Loch von 17 Milliarden Euro zu stopfen, soll jetzt kräftig gespart und gekürzt werden. Aber geht von dieser Erbsenzählerei wirklich ein Impuls für die Koalition aus? Geht ein Ruck durch die Regierung? Entsteht da etwas Neues? Ich habe meine Zweifel. Scholz, Lindner und Habeck haben eine Haushalts-Notlage auf Abruf beschlossen. Sobald die Lage in der Ukraine mehr deutsches Engagement erfordert, soll die Schuldenbremse doch noch ausgesetzt werden. Das kann in ein paar Wochen passieren oder in ein paar Monaten, jedenfalls kommt der Streit bald wieder. Im Hintergrund geht in den Parteien schon jetzt die Angst um, für den Kompromiss politisch abgestraft zu werden. Das Leben wird mit den Beschlüssen nämlich auch hier und da teurer. Wo genau, können Sie hier lesen.

PERSON DER WOCHE

Hubertus Heil ist ein Phänomen. Der Mann ist 51, gehört aber schon seit 25 Jahren zum Inventar des politischen Betriebs. Er war zwei Mal Generalsekretär der SPD, hat acht Jahre lang als Vizevorsitzender die Bundestagsfraktion angeführt, und seit er 2018 Arbeitsminister wurde, spult er geräuschlos sein Programm runter. Sie kriegen von Heil nichts mit? Genau das ist sein Prinzip. Nicht einmal der heftige Streit über das Bürgergeld hat den Sozialdemokraten in den vergangenen Wochen aus der Ruhe bringen können, vor den Sparmaßnahmen hat er sein Projekt weitgehend bewahren können. Meine Kollegin Miriam Hollstein hat einen Mann begleitet, der für viele in seiner Partei in diesen Wochen ein heimlicher Held ist.

UND SONST SO? 

Kennen Sie noch Angela Merkel? Kleiner Spaß. Aber hätte ja sein können, dass Sie die Altkanzlerin schon vergessen haben. Merkel ist seit Monaten komplett abgetaucht, um mit ihrer Büroleiterin ihre Memoiren zu schreiben. Hinter verschlossenen Türen sorgte sie kürzlich allerdings für einen kleinen Schocker: Sie trat aus der Adenauer-Stiftung aus. Mein Kollege Nico Fried hat sich mal angeschaut, was zwischen Merkel und ihrer Partei, der CDU, eigentlich los ist.

LAUTER LIEBLINGE 

Ihr Highlight der Woche 

war ein Wutausbruch meines Kollegen Jan Rosenkranz. Ich weiß, er hatte in der vergangenen Woche auch schon einen zum Bürgergeld. Aber Jan hat im Moment eben nicht nur eine kurze Lunte, sondern auch einen sehr guten Blick dafür, wenn politisch etwas wirklich schiefläuft. Und bei den Grünen in Berlin läuft gerade wirklich etwas schief.

Mein Highlight der Woche 

… war ein Text eines Mannes, den ich immer noch als Kollegen bezeichne, weil ich mich nicht dran gewöhnen will, dass er sich vor mittlerweile zwei Wochen in die Altersteilzeit verabschiedet hat: Andreas Hoidn-Borchers. Wir gehen davon aus, dass es sich dabei um einen bedauerlichen Fehler der Personalabteilung handelt, der sicher bald auffällt. Zum Glück hat Andreas bis dahin ein paar Texte hinterlassen, die wir Ihnen zu gegebener Zeit präsentieren werden. Einer, ein wirklich lesenswerter Essay darüber, warum wir Deutschen im Jahr 2023 ziemlich aus der Bahn geraten sind, findet sich im gerade erschienenen Sonderheft zum Jahresende - und hier.

Übrigens: Verraten Sie es bitte nicht, aber ein paar Freunde von mir haben mich überredet, am Samstag nach Hamburg zu fahren und nach wirklich langer Zeit mal wieder ein bisschen zu feiern. Angeblich wollen sie die Nacht durchmachen. Die jetzt auch noch! Es bleibt einem auch nichts erspart. 

Haben Sie noch eine gute Woche! 

Veit Medick 

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