Besuch in Berlin Erdogans Dinner im Kanzleramt – leider richtig

Scholz und Erdogan stehen gemeinsam bei einer Pressekonferenz an einem Rednerpult
Scholz und Erdogan: Heikles Treffen
© Burhan Ozbilici / Picture Alliance / AP
Dass der Kanzler den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan eingeladen hat, tut weh – geht aber gerade nicht anders. 

Hinweis: Dieser Kommentar erschien erstmals, als feststand, dass Erdogan erstmals seit drei Jahren wieder Deutschland besuchen würde. Zum heutigen Treffen von Erdogan und Scholz veröffentlichen wir ihn erneut.

Es stimmt schon: Ihm zuzuhören, ist gerade fast unerträglich. Eine "Befreiungsbewegung" hat Recep Tayyip Erdoğan die Hamas genannt. Er hat seinen Kontakt zu Israels Präsidenten abgebrochen, schürt in der arabischen Welt den Hass auf den Juden-Staat. Und jetzt kommt der türkische Präsident nach Berlin, spricht mit dem Kanzler, diniert mit ihm am heutigen Freitag in der Regierungszentrale. Ernsthaft? Dieser Mann? Ausgerechnet jetzt?

So schwierig es ist, mit Figuren wie Erdogan gerade zusammenzusitzen – es muss leider sein. Die globalen Beziehungen sind unübersichtlicher geworden, alte Bündnisse lösen sich auf. Die westlichen Demokratien stehen unter Druck, sind auf einmal angewiesen darauf, mit schwierigen Herrschern zusammenzuarbeiten – auch Deutschland. Ausgerechnet in einer Welt, die nach klarer Positionierung schreit, müssen wir immer häufiger in die moralische Grauzone. Das ist unsere eigene Schuld. Aber nicht nur.

Wären wir nicht so abhängig von Russlands Energie gewesen, müssten wir jetzt nicht in Riad um Gas betteln. Wären wir wirtschaftlich nicht so verschmolzen mit China, könnte uns dessen Präsident egal sein. Hätte die Hamas nicht Israel überfallen, bräuchten wir jetzt nicht den Emir von Katar, um eine bessere Chance zu haben, Deutsche aus den Händen der Terrororganisation zu befreien. 

Und wäre Erdogan nicht so zentral auf gleich mehreren relevanten Feldern, könnten wir ihm guten Gewissens absagen, nach dem Motto: Guten Flug, Recep, aber in Berlin brauchst Du nicht landen.

Das würden viele gerade gern vom Kanzler hören, und das ist auch verständlich. Weil Erdogan uns näher ist als viele andere Problemfiguren auf diesem Planeten, schmerzt es umso mehr, dass er seit Jahren wegzukippen droht. 

Auch Scholz muss jetzt liefern

Er galt mal als vielversprechender Reformer, sein Land ist wichtiger Teil der Nato, jetzt überzieht er Israel mit Hass, nutzt das Leid in Gaza, um sich panarabisch zu profilieren. Er enttäuscht uns, weil wir trotz allem Erwartungen an ihn haben. An Mohammad bin Salman, der einen Regimekritiker mal hat zersägen lassen, hat niemand irgendwelche Erwartungen, außer, dass er für uns schnell die Pipelines öffnet. So kommt es, dass der Aufschrei bei einem Besuch Erdogans größer ist als bei dem eines saudischen Kronprinzen. 

Scholz kümmert sich nicht um den Aufschrei. Politisch ist das richtig. Heißt das, dass die Erdogan-Visite ein Besuch wie jeder andere ist? Natürlich nicht. Auch Scholz muss jetzt liefern. Mit einer Einladung an schwierige Herrscher ist immer auch die Pflicht verbunden, dem Gast offen (und öffentlich) ins Gesicht zu sagen, was nicht geht, wo die Grenzen sind.

Und diese Liste ist mindestens so lang wie die der gemeinsamen Interessen.