Berlin Nach Tiergarten-Mord: Bundesregierung erklärt zwei russische Diplomaten zu "unerwünschten Personen"

Im Kriminalgericht Moabit in Berlin wurde am Mittwoch das Urteil im Tiergarten-Mord-Prozess verkündet 
Im Kriminalgericht Moabit in Berlin wurde am Mittwoch das Urteil im Tiergarten-Mord-Prozess verkündet 
© Christophe Gateau / DPA
Nach dem Urteil im Tiergarten-Mord hat die Bundesregierung zwei Diplomaten der russischen Botschaft zu unerwünschten Personen erklärt. Der Fall lastet schwer auf den deutsch-russischen Beziehungen.

Als Konsequenz aus dem Berliner Mordurteil gegen einen Russen erklärt die Bundesregierung zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft zu "unerwünschten Personen". Das sei dem russischen Botschafter Sergej Netschajew am Mittwoch bei einem Gespräch im Auswärtigen Amt erklärt worden, sagte Außenministerin Annalena Baerbock in Berlin. Das kommt einer Ausweisung der Diplomaten gleich.

Das Berliner Kammergericht hatte zuvor einen 56-jährigen Russen zu lebenslanger Haft wegen Mordes an einem Georgier tschetschenischer Abstammung verurteilt. Die Staatsschutzkammer sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte im August 2019 im Auftrag staatlicher russischer Stellen handelte, als er sein Opfer mitten in einer Berliner Parkanlage erschoss. Das Gericht folgte damit der Argumentation der Bundesanwaltschaft.

Baerbock sprach von einer "schwerwiegenden Verletzung deutschen Rechts und der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland". Sie habe bereits am Dienstag – vor dem Urteil – mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow telefoniert und bekräftigt, dass sie einen offenen und ehrlichen Austausch mit Russland wolle.

"Dies muss auf dem Boden des Völkerrechts und des gegenseitigen Respekts stattfinden", betonte die Grünen-Politikerin. Es sei klar, dass Handlungen wie der Mord im Tiergarten diesen Austausch schwer belasteten. "Die Bundesregierung wird alles tun, was nötig ist, um die Sicherheit in unserem Land und den Respekt vor unserer Rechtsordnung zu gewährleisten."

Zuvor hatte auch der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, eine Reaktion auf das Mordurteil angekündigt. Einzelheiten nannte er zunächst aber nicht. "Es handelt sich dabei um einen offensichtlich unfreundlichen Akt, der nicht unerwidert bleibt", erklärte er. "Auch der Zeitpunkt der Urteilsverkündung wird nicht von ungefähr ausgesucht sein. Offenbar hat jemand ein Interesse daran, dass der Dialog zwischen Russland und der neuen Bundesregierung von Beginn an dadurch überschattet wird."

Das Urteil sei "nicht objektiv, politisch motiviert und für das ohnedies schwierige deutsch-russische Verhältnis gravierend belastend", kritisierte der Botschafter. Den Vorwurf, dass die Russische Föderation an der Tat beteiligt gewesen sein soll, bezeichnete er als "absurd".

Deutschland hatte bereits nach den ersten Ermittlungsergebnissen des Generalbundesanwalts zu dem Fall zwei russische Botschaftsmitarbeiter ausgewiesen. Damals hatte Russland mit der Ausweisung zweier deutscher Diplomaten reagiert.

"Persona non grata"

Eine "persona non grata" ist eine "unerwünschte Person". Wird ein Diplomat oder eine Diplomatin von einem Gastland zu einer solchen Person erklärt, sind sie nicht mehr willkommen. Ihre Tätigkeit vor Ort wird durch die entsprechende Benachrichtigung an den Heimatstaat beendet. Der Heimatstaat ist völkerrechtlich verpflichtet, die "persona non grata" abzuberufen; der fragliche Diplomat muss das Gastland innerhalb einer bestimmten Frist verlassen. Üblich sind laut Auswärtigem Amt 48 Stunden oder mehr. Die Erklärung zur "persona non grata" kann auch erfolgen, bevor jemand überhaupt im Gastland eintrifft.

Geregelt werden Rechte und Pflichten von Diplomaten durch das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD). Wichtigstes Vorrecht ist danach die Immunität eines Diplomaten. Wird er zur "persona non grata" erklärt, kann das Gastland die Immunität mit Ablauf der Ausreisefrist aberkennen. Ein konkretes Fehlverhalten des diplomatischen Personals ist nach Angaben des Auswärtigen Amtes keine Voraussetzung für die Erklärung zur "persona non grata". Vielmehr liegt dieser Schritt demnach voll im Ermessen des Gastlandes und muss nicht begründet werden.

dpa · AFP
yks