Afghanistan-Einsatz Es herrscht Krieg

  • von Sebastian Christ
Kanzlerin Angela Merkel will es nicht über die Lippen: In Afghanistan tobt ein Krieg. Und deutsche Soldaten sind mittendrin. Allein schon deshalb war ihre Regierungserklärung eine Farce.

Es ist schlicht feige oder zynisch, das Wort "Krieg" im Bezug auf Afghanistan zu umschiffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es am Dienstag mal wieder getan. In ihrer Regierungserklärung nannte sie die Aktivitäten der Bundeswehr einen "Kampfeinsatz". Vor dem Hintergrund der jüngsten Vorfälle um die Bombardierung von zwei Tanklastern nahe Kundus zeugt das von einem gestörten Verhältnis zur Realität.

Am freundlichsten wäre da noch die Erklärung, dass Merkel einfach keinen Mumm hat, den Einsatz in Afghanistan als "Krieg" zu bezeichnen. Sie weiß sehr wohl, dass ein "Kriegseinsatz" in der deutschen Bevölkerung kaum zu rechtfertigen wäre. Dabei sollte die Kanzlerin aber auch bedenken, was das für Konsequenzen für unsere Truppen in Afghanistan hat: Die Bundeswehr ist dort im Verlauf der vergangenen acht Jahre in einen Konflikt hinein geraten, der mit asymmetrischen Mitteln geführt wird. Deutsche Soldaten leisten dort wertvolle Aufbauhilfe, sind aber sowohl technisch wie auch zahlenmäßig nicht auf eine bewaffnete Auseinandersetzung mit einem unsichtbaren Feind vorbereitet. Wenn Frau Merkel dieser Einsatz wirklich wichtig ist, dann sollte sie den Mut haben, einen solchen Krieg gegen alle Widerstände mit Kriegsmitteln zu führen. Andernfalls wäre es konsequent, die deutschen Truppen aus einem Fürsorgeinteresse heraus schnell nach Hause holen - auch wenn sie damit alle Erfolge preisgäbe, die Bundeswehrsoldaten in den vergangenen Jahren erzielt haben.

Zynisch wäre die Vermeidung des Wortes "Krieg" dann, wenn dadurch politische Unaufrichtigkeit vertuscht werden sollte. Die Begründung nämlich, die Bundesrepublik könne sich mit Berufung auf den "deutschen Sonderweg" nicht aus solchen Einsätze heraus halten, ist schlicht falsch. Oskar Lafontaine hat Recht, wenn er sagt, dass die Bundeswehr mit der gleichen Rechtfertigung auch am Irakkrieg hätte teilnehmen müssen. Und: Wer Kampfeinsatz sagt obwohl Krieg herrscht, verniedlicht solche Vorfälle wie den Tankwagen-Beschuss leicht als "militärischen Ausnahmefall". Nein, Frau Merkel. Es war ein hässlicher Angriff in einem hässlichen Krieg, an dem die Soldaten die wenigste Schuld tragen. Sie wurden schon zu Zeiten von Rot-Grün als Instrument der Außenpolitik missbraucht. Das rächt sich nun.

Frieden nur durch Truppenaufstockung

Angela Merkel sollte klar sein, dass der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan immer mehr zivile Opfer kosten wird, weil die Intensität der Kampfhandlungen zunimmt. In diesem Jahr kamen bisher zweimal so viele ausländische Soldaten in Afghanistan wie im Irak ums Leben. Aber darüber verliert Merkel kein Wort. Vielleicht ja auch, weil Wahlkampf ist. Vielleicht hat sie ja auch deswegen gesagt, dass Afghanistan seine Konflikte in den kommenden fünf Jahren zunehmend selbständiger regeln soll. Klingt gut, klingt nach Abzug und weniger Risiko. Den Preis dafür verrät Merkel jedoch nicht - das Land müsste schließlich erst einmal befriedet werden.

Dafür bräuchte es wahrscheinlich zusätzliche Soldaten. So haben es die Amerikaner im Irak geschafft. Aber eine Aufstockung des Kontingents wäre ja auch ein Eingeständnis. Es herrscht Krieg. Oder, Frau Merkel?