Franz Müntefering Angriff auf der Kirmes

  • von Sönke Wiese
Er kommt nicht recht in Gang, der Wahlkampf der SPD. Chefgenosse Franz Müntefering sucht den Schlagabtausch, doch der Gegner mag ihn nicht annehmen. Jetzt läutete der Haudegen die nächste Runde ein - im Rummel-Bierzelt. Die Basis kam zahlreich, doch nicht jeder war begeistert.

Über 800 Jahre ist er alt, der Hamburger Dom. Mit ein paar Gauklern und Quacksalbern soll es damals angefangen haben, heute ist es ein großes Volksfest, mit Geisterbahnen, Halbstarken im Autoscooter, Imbissbuden und Bierzelten, manchmal treten hier auch Kirmesboxer auf. An diesem Abend strömen die Hamburger ins größte Zelt auf dem Platz, um einen kämpfen zu sehen, dessen Partei schon fast ausgezählt ist.

"Münte kommt!" verkünden Plakate seit Tagen in der ganzen Stadt. Etwas schief lächelt der SPD-Chef auf ihnen. Vielleicht verzweifelt er, weil sich seine Gegner ständig wegducken, er keine Treffer landet. Franz Müntefering liebt die Attacke, und das wird er auch heute wieder mit einer forschen Aufforderung an Angela Merkel zeigen.

Rund 1000 Zuschauer sind gekommen, nicht alle finden Platz in dem stickig-heißen Zelt, Dutzende drängeln sich vor den Eingängen. Es wird ein Heimspiel für Franz Müntefering, das ist klar. Im ehemals roten, inzwischen schwarz-grünen Hamburg, gibt es immer noch genügend SPD-Anhänger, die ihrer Partei die Treue halten. Im Publikum sitzen viele Rentner. Margitta Förster, 71, hat ihr ganzes Leben lang die Sozialdemokraten gewählt, sie wird es auch diesmal tun, aber zufrieden ist sie nicht. "Wir werden untergehen. 25 Prozent für die SPD wären schon ein Glücksfall", glaubt sie.

Endlich aus dem Ring steigen

Vor allem die jüngsten Ereignisse haben Förster verstört: erst die Dienstwagen-Affäre von Ulla Schmidt, dann Münteferings schroffe Attacke auf die Bundeskanzlerin. "Das war unfair", findet die Rentnerin. Franz Müntefering hatte Angela Merkel vorgeworfen, sie sorge sich nicht um die Arbeitslosen im Land. "Dabei kommt nichts heraus, wenn er so patzig wird", sagt Förster. Den Deutschland-Plan von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hält auch sie für "Quatsch". Vom SPD-Vorsitzenden erwartet sie nun, dass er ihn korrigiert.

Aber Franz Müntefering ist der alte Haudegen der SPD, der erfahrene Wahlkämpfer, der den offenen Schlagabtausch sucht. Und so teilt er gleich zu Beginn seiner Rede wieder Richtung Kanzlerin aus: "Angela Merkel meint, sie müsste nichts tun. Sie soll endlich aus ihrer schwarzen Ecke kommen und in den Ring steigen", ruft der Chefgenosse. "Wer meint, das zentrale Thema Arbeit nicht ernst nehmen zu müssen, der ist es nicht wert, Bundeskanzler Deutschlands zu sein." Merkel habe keinen Plan, wohin die Reise gehen soll, die Union habe keine Visionen.

"Die machen das wirklich"

Die SPD dagegen wisse, wie man Millionen von Arbeitsplätzen schaffen könne: mit Investitionen in die Bildung, in erneuerbare Energien und in das Erziehungswesen. Bezahlt werden soll das mit einer Steuererhöhung für Gutverdiener. An den Plänen von Union und FDP, die Steuern zu senken, regt Müntefering vor allem eines auf: "Die lügen diesmal nicht, die machen das wirklich."

Dass die SPD noch die Mehrheit der Stimmen erringen könnte, wagt Müntefering nicht in Aussicht zu stellen. "Recht haben und Recht bekommen, ist etwas anderes." Es gelte nun, eine Koalition von CDU/CSU und FDP zu verhindern. Weil Schwarz-Gelb in den Umfragen bei 49 bis 51 Prozent läge, reichten schon drei Prozent, das Blatt zu wenden. Allerdings warum man dafür nicht auch die Grünen oder die Linkspartei wählen kann, sondern unbedingt SPD wählen muss, macht Müntefering an diesem Abend im Bierzelt nicht klar. Den mit Abstand größten Applaus erntet er mit einem Allgemeinplatz, der an der Seele der Partei rührt: "Der deutsche Sozialstaat ist eine Errungenschaft der Sozialdemokratie." Am Ende findet Margitta Förster, dass Müntefering seine Punkte "rhetorisch brillant formuliert" habe. Aber glaubwürdiger kämen ihr die Pläne nicht vor. "Das alles umzusetzen, ist doch unrealistisch."

Auch eine andere ältere Dame hat sich nicht überzeugen lassen. Sie habe früher immer CDU gewählt, aber die Merkel mag sie nicht. Nun ist sie ratlos. "Es gibt ja noch die Rentnerpartei. Was steht eigentlich bei denen im Programm?"